Unis proben den Aufstand

Hochschulen in Münster und Dortmund lehnen das Studiengebühren-Modell von Schwarz-Gelb ab. Die Landesregierung will trotzdem an der Initiative festhalten, die Opposition spricht von „Flop“

VON NATALIE WIESMANN

Die Landesregierung will den Widerstand vieler Hochschulen in NRW gegen die Studiengebühren aussitzen: „Wir gehen davon aus, dass sich die große Mehrheit der Hochschulen für die Einführung der Studiengebühren entscheiden wird“, sagt André Zimmermann, Pressesprecher des FDP-Wissenschaftsministeriums, der taz. Das Ministerium hatte die 33 staatlichen NRW-Hochschulen aufgefordert, zu dem Gesetzesentwurf Stellung zu nehmen. Bis auf wenige Ausnahmen lägen die Stellungnahmen jetzt vor. „Es zeichnet sich ab, dass die meisten Hochschulen dem Entwurf zustimmen werden“, so Zimmermann. Änderungsvorschläge seien aber ausdrücklich erwünscht gewesen.

Der Universität Münster geht es jedoch nicht um formale Änderungen. Vergangenen Mittwoch hat der Senat einstimmig den Gesetzesentwurf abgelehnt. Bereits 2002 hatte er sich aus sozialen Gründen für die Gebührenfreiheit des Studiums ausgesprochen. „Der Senat sieht keinen Anlass, von dem Beschluss abzurücken“, heißt es in der aktuellen Stellungnahme.

Die Kultusministerkonferenz der Länder habe sich im März darauf geeinigt, in Falle einer Einführung von Studiengebühren zu gewährleisten, dass gleiche Bildungschancen gewahrt werden. „Nach unserem Informationsstand ist das nicht geschehen“, so der Senat. Das „Gesetz zur Sicherung der Finanzierungsgerechtigkeit im Hochschulwesen“ (HFGG) sei geeignet, „sogar innerhalb von NRW die Gleichheit der Bildungschancen zu verringern [...] und einen fairen Wettbewerb zwischen den Hochschulen im Lande zu verhindern.

Auch die Fachhochschulen Münster und Dortmund lehnen aus sozialen Gründen die Einführung der Studiengebühren ab. „Viele Studierende müssen schon jetzt viel nebenher arbeiten“, sagt der Pressesprecher der FH Dortmund, Jürgen Andrae im Ton eines Studierendenvertreters. „Wir befürchten, dass sich bei einer Einführung von Gebühren viele das Studieren nicht mehr leisten können.“ Der Senat seiner Hochschule habe bereits Anfang des Jahres gegen Studiengebühren gestimmt. Auch der neu gewählte Rektor habe sich vor ein paar Tagen entsprechend geäußert.

Gewerkschaft und Opposition fühlen sich durch den erneuerten Beschluss der Uni Münster im Aufwind. Der DGB NRW forderte gestern die Hochschulen auf, der Uni Münster zu folgen. „Wenn Herr Rüttgers sich als soziales Gewissen seiner Partei profilieren will, muss er bei seiner eigenen Politik anfangen und nicht nach Berlin schreien“, kritisiert Bezirksvorsitzender Walter Haas. Hier biete sich dem Ministerpräsidenten eine konkrete Möglichkeit. „Ziehen Sie ihren Gesetzesentwurf zurück“, fordert Haas ihn auf.

Als „Flop“ bezeichnet auch Michael Vesper, Ex-Kulturminister und neuer Hochschulexperte der Grünen-Fraktion, die Initiative von Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart. „Dass die Hochschulen das Gebührenmodell ablehnen, ist kein Wunder“, sagt er. Es übertrage ihnen die komplette Abwicklung und Verantwortung. „Zu Recht beklagen die Universitäten, dass sie dies nicht leisten können“, so Vesper.

„Die Hochschulen zeigen dem Studiengebührengesetz vom Minister Pinkwart demonstrativ die kalte Schulter“, freut sich auch der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Marc-Jan Eumann über die verhaltene Resonanz der Universitäten. Nach Ablauf der Frist hätten sich nur zwei Hochschulen – Köln und Aachen – klar zur Einführung von Studiengebühren bekannt. „Das zeigt, dass Minister Pinkwart weder die Studierenden noch die Professoren hinter sich hat“, so Eumann.

Wissenschaftsminister Pinkwart hält die Schadenfreude der Opposition für gegenstandslos. Die Kritik des SPD-Landtagsabgeordneten Marc-Jan Eumann sei eine „aus der Luft gegriffene Fern- und Fehldiagnose“, heißt es in einer Pressemitteilung. Tatsächlich ist es fragwürdig, ob die Unis bei ihrem klaren Nein bleiben: Der Sprecher der Universität Münster, Norbert Frie, sagt: „Es ist nicht auszuschließen, dass sich bei einer Veränderung des Gesetzesentwurfs auch unsere Hochschule auf Studiengebühren einlässt“, sagt er.