Bergung mit Zuschauern

Die Ems ist frei, Ilona M gehoben: Fast zwei Wochen lang hatte der leck gegangene Frachter die gesamte West-Ost-Binnenschifffahrt lahm gelegt –und mit jedem Tag die Schadenssumme erhöht

von Johann Müller
und Benno Schirrmeister

Sägen und nochmal sägen: Am Ende hatten die Bergungstrupps Ilona M in drei Stücke zerlegen müssen, in Dauerarbeit, bei Nieselregen, tage- und nächtelang am schlammigen Ems-Ufer bei Rhede. Wie ein Riegel lag der Frachter im Fluss, beinahe zwei Wochen lang: In der Nacht zum 15. Oktober war das mit Kies beladene Schiff auf Grund gelaufen und hatte sich quer gestellt. Genauer: Es „wurde durch den Tideebbstrom aufs linke Ufer gedrückt“ wie das Schifffahrtsamt Meppen mitteilte. Denn so nahe an der Mündung hängt der Wasserstand von den Gezeiten ab.

Zuvor sei es „bei km 220“ an Steuerbord ans Ufer gelaufen, was dafür spricht, dass der Herr Kapitän sich um 0.40 Uhr einen eigentümlichen Schlingerkurs tuckerte. Als Ursache dafür käme beispielsweise ein technischer Defekt in Frage. Heidewitzka. Danach aber sei das Schiff mittig eingeknickt. Gestern erst konnte das letzte verbleibende Teil auf ein Ponton gehoben und abtransportiert werden, noch am Abend suchte man das Flussbett nach Wrackteilen ab, mit einer Schlick-Egge.

Ab heute sollen die Schiffe wieder fahren können: „Mit der Frühtide“, vermutet der Leiter des Meppener Schiffahrtsamtes, Holger Giest, werde der Fluss freigegeben. Eine gute Nachricht. Aber nur langsam wird sich der Stau auflösen: 50 Schiffe können die Stelle täglich passieren, wenn die Schleusen Dauerbetrieb haben, rund 250 liegen vor der Unglücksstelle fest: Zur Zeit der Havarie herrschte Hochbetrieb auf diesem Abschnitt der Ems, weil südlich von Münster, bei Olfen, der Kanal gesperrt ist. Wer vom Rheinland Richtung Berlin schippert muss momentan eine 300 Kilometer längere Ausweichroute durch die Niederlande und über den Dollart nehmen und liegt dann bei Rhede fest. Pro Frachter und pro Tag entstehe ein Schaden von etwa 1.500 Euro, sagen die Schiffer.

Fürs Hinterland habe die „unsägliche Havarie“ keine großen Auswirkungen gehabt, sagt Helmut Klug von der Industrie und Handelskammer Ostfriesland Papenburg. Der Hafen Emden habe sogar „ein bisschen Plus“ gemacht, weil eine Terminfracht dorthin ausgewichen sei. Und die ausbleibenden Lieferungen? „Da sind die Logistiker drauf eingestellt.“ Wer die Kosten für den Ersatzverkehr übernehme, das sei „individuell geregelt, je nach Vertrag“.

Massen von Schaulustigen, man unterhält sich, fachsimpelt: Warum dauert denn das so lang? Wäre wirklich nur das Zusatzgewicht von Schlick und Schlamm im Wrackteil der Grund, dass die Bergung so lange dauert? Auch der Stau gebiert so seine Theorien, wie die „Ilona M“ früher hätte gehoben werden können, je länger, desto abstruser.

Aber selbst deren Kapitän, der doch ein Interesse daran haben müsste, nicht die alleinige Ursache der Dauerblockade zu sein, will sich an Spekulationen nicht beteiligen: „Ich habe dazu keine Meinung“, wiegelt er alle Anfragen ab. „Die Details der Havarie“, gibt dagegen das Schiffahrtsamt Auskunft, „werden sicher in einer polizeilichen Untersuchung geklärt“.