Der lange Schatten aus Berlin

Heute gehen in Hamburg die „Mode Label Days“ zu Ende. Über 50, meist junge Labels nehmen daran teil. Ist Hamburg dabei, die deutsche Modestadt Nummer eins zu werden? Die taz nord hat die Moderedaktion der „Brigitte“ um eine Einschätzung gebeten

Hamburg gilt mit nahezu 1.000 ortsansässigen Designern und Designagenturen als Designmetropole Deutschlands“, verkündet die Initiative „hamburgunddesign“. Vor 10 Jahren vom Senat gegründet, lädt die Initiative seit gestern zu den dritten „Model Label Days“. Über 50 junge Labels und angehende Modedesigner sind dort zu besichtigen. Doch wo steht Hamburg als Modestadt wirklich? Die taz nord hat bei der Moderedaktion der „Brigitte“ nachgefragt

taz: Frau Petersen, ist Hamburg ein bedeutender Modestandort?

Anne Petersen: Eigentlich nicht. Nicht bedeutender als beispielsweise Köln oder München.

Aha. Welche Stadt ist denn führend in Deutschland? Berlin?

Man muss schon sagen, dass Berlin sich zum wichtigsten Modestandort gemausert hat. Ein großer Teil davon ist nur Hype, aber Berlin ist schon ein Anziehungspunkt. Einmal für deutsche Labels, die wieder zurückkommen so wie „Bless“, die in Paris angefangen haben und sich da ein internationales Renommee erworben haben. Aber auch für internationale Labels wie „Comme de Garçons“, die machen wenn, dann in Berlin einen Laden auf und nicht und Hamburg oder München. Es ist ja auch so, dass Berlin viel mehr Ausbildungsstätten hat.

Ist deutsche Mode denn international überhaupt eine relevante Größe?

Deutschland ist insgesamt nicht so relevant, weil es keine deutsche Modestadt gibt, die es mit Mailand oder Paris aufnehmen kann, auch nicht mit London. Es gibt natürlich deutsche Modedesigner, die sehr gut sind wie Bernhard Wilhelm oder die einschlägig bekannten Namen wie Wolfgang Joop, Karl Lagerfeld, Jil Sander, Strenesse. Wir bringen schon gute Designer hervor, aber die machen ihre Karriere nicht in Deutschland. Man muss immer das Land verlassen, um Karriere zu machen.

Joop zum Beispiel ist ja aber Hamburger, oder?

Natürlich, vor der Maueröffnung hat sich in Hamburg viel mehr abgespielt, denke ich. Da war Hamburg noch viel mehr die deutsche Großstadt. Jil Sanders Karriere ist von Hamburg ausgegangen, Wolfgang Joops auch. Aber mit der Maueröffnung hat sich das nach Berlin verschoben, Wolfgang Joop ist jetzt in Potsdam und zeigt seine Kollektion „Wunderkind“ in New York. Jil Sander gehört jetzt zu Prada, aber immerhin ist die Designabteilung der Damenmode immer noch in Hamburg angesiedelt.

In Berlin, liest man immer, gibt es die junge, wilde Modeszene, die auch in Städten wie Tokio Erfolge feiert. Gibt es so etwas in Hamburg nicht?

Es gibt schon einige Modedesigner, die über Hamburg hinaus bekannt sind wie „Anna Fuchs“ oder „Hotel“, die auch in Berlin einen Showroom haben und sich auch in Amerika gut verkaufen, aber da wird man in München oder Köln sicher auch zwei, drei vergleichbare Labels finden. Und das, was man im Schanzenviertel an Läden findet, ist doch eher lokal. Das sind so typische Absolventen von den Modeschulen, die sich dann selbständig machen und dann – einfach auch weil das Geschäft wahnsinnig schwierig ist – nicht über das Boutiquenniveau hinauskommen.

Für die Modeszene ist das aber ohne Belang.

Das ist ja auch nichts gegen einzuwenden. Es ist ja richtig und wichtig, dass jede Stadt ihre lokale Modeszene hat. Hamburger kaufen zum Beispiel gerne bei „Mägde und Knechte“. Das hat dann ein bisschen was mit Lokalpatriotismus zu tun, aber die Sachen sind ja trotzdem individuell und toll und günstiger, als wenn man bei einem internationalen Label kauft, das in Mailand zeigt. So gesehen ist eine lokale Modeszene das Beste, was passieren kann.

Aber international hat das keine besondere Bedeutung?

Sagen wir mal so: Sobald ein Modelabel eine ganz eigene Handschrift entwickelt, hat es auch die Chance, ein bisschen bekannter zu werden wie zum Beispiel Anna Fuchs. Die macht so weit fließende Jerseykleider, so ähnlich wie Diane von Fürstenberg, die man in den Koffer steckt, und dann zieht man sie einfach wieder an. Das ist was für die selbstbewusste Frau, die ihre feminine Seite herauskehrt. Aber grundsätzlich finde ich die Szene ein bisschen langweilig. Dekonstruktion machen irgendwie alle, dann sitzt dann eben die Tasche am Knie. Das ist dann so ein bisschen nach dem Motto: Mensch, zur Abschlussmodenschau haben wir alle schon mal aus Mülltüten ein Brautkleid gemacht. Interview: Daniel Wiese