Erinnerung im Pflaster

GEDENKEN Bremen hat 18 neue Stolpersteine für Opfer des NS-Regimes – deren Verlegung nun allerdings ehrenamtlich organisiert werden muss

„Es wurde so viel denunziert, dass die Gestapo nicht hinterher kam“Barbara Johr, Historikerin

Rahel Seligmann lebte in der Brunnenstraße 55, mitten im Steintor. Als 65-Jährige wurde sie nach Auschwitz deportiert. Daran erinnert nun ein Stolperstein.

Noch 18 weitere Steine hat Gunter Demnig gestern in Bremen verlegt. Und während vor Nummer 55 noch ein Akkordeon spielt, sind von rechts schon kräftige Hammerschläge zu hören. Demnig stemmt bereits ein Loch vor Nummer 51: Hier wohnte Arnold Ruhhalter, der zuvor als einer der zahlreichen jüdischen Saisonarbeiter auf Norderney tätig war. Laut Einwohnermeldekarte, so haben es Kornelia Renemann und Barbara Ebeling vom „Initiativkreis Stolpersteine Bremen“ recherchiert, war er 1943 in der Nervenheilanstalt an der Osterholzer Landstraße, über das Jüdische Krankenhaus in Berlin führt auch seine Lebensspur nach Auschwitz.

Wieder etwas weiter, in der Berliner Straße 16, lebte Karl August Metz. Der Tischler war beim Holzarbeiterverband aktiv, als Vertrauensmann der Volksfürsorge wurde er mehrfach angezeigt. „Die Bremer Gestapo musste nie ihr Spitzelnetzwerk ausbauen“, sagt die Historikerin Barbara Johr – es gab derart viele Anzeigen aus der Bevölkerung, dass die Gestapo zeitweise „nicht hinterher gekommen“ sei. An der Denunziation, die zu Metz‘ Hinrichtung führte, war dessen eigene Schwester beteiligt: Sie bestätigte, Metz habe sich „abfällig über den Führer und die Partei sowie über deutsche Offiziere“ geäußert.

Ein Auto versucht, sich die schmale Straße vor Metz‘ letztem Wohnsitz freizuhupen. Das Akkordeon spielt das Lied vom Moorsoldaten.

In der Berliner Straße haben sich die AnwohnerInnen für den Stolperstein engagiert und einen Flohmarkt für die Finanzierung organisiert. „Es macht viel aus, dass es Leute wie Metz gab“, sagt eine Anwohnerin. Auf dessen Stein steht: „Verurteilt wegen ,Wehrkraftzersetzung‘“. Es gab schon viele Diskussionen um die Frage, ob NS-Begriffe auf Stolpersteinen – auch, wenn sie in Anführungszeichen gesetzt sind – angemessen sind. „Bremen ist pazifistisch geprägt“, antwortet die Anwohnerin, da bekomme das niemand „in den falschen Hals“.

Johr, die die Bremer Stolperstein-Verlegungen seit deren Beginn 2004 organisiert, ist bei der Landeszentrale für politische Bildung nun in den Ruhestand gegangen. Um das organisatorisch zu kompensieren, hat der „Initiativkreis“, der bereits die Recherchen leistet, nun auch noch einen „Koordinierungskreis“ gebildet. Da Johr als abgeordnete Lehrerin bei der Landeszentrale war, fällt ihre Stelle ersatzlos weg.

In Kürze scheidet auch der Geschichtsreferent der Landeszentrale aus Altersgründen aus – was unter anderem bedeutet, dass das umfangreiche Veranstaltungsprogramm rund um den 27. Januar künftig rein ehrenamtlich koordiniert werden muss – ohne institutionellen Unterbau eine schwierige Aufgabe. HB