Wowereit will nicht weglaufen

FLUGHAFENDEBAKEL Berlins Regierender Bürgermeister lehnt Rücktritt ab. Derweil wächst der Widerstand gegen Platzeck als neuen Aufsichtsratschef

„Eine Pfeife wird durch eine stellvertretende Pfeife ersetzt“

HERBERT FRANKENHAUSER (CSU)

BERLIN taz | Wie wird er ans Rednerpult treten? Als amtsmüder, durch das Dauerdebakel des geplanten Großflughafens angeschlagener Regierender Bürgermeister? Oder als alter Kämpfer? Nur wenige Minuten braucht Klaus Wowereit am Donnerstag im Berliner Abgeordnetenhaus um erneut zu zeigen: Er ist am stärksten, wenn er unter Druck ist. Das Wort Rücktritt erwähnt Wowereit zwar – aber nur um zu sagen, dass das für ihn kein Weg sei, Verantwortung zu übernehmen. „Ich gehöre zu denen, die nicht weglaufen“, sagt Wowereit.

Die politische Zukunft von Berlins Regierendem Bürgermeister hängt in der Luft, seit am Sonntagabend bekannt wurde, dass die ursprünglich für 2011 geplante Eröffnung des Hauptstadtflughafens ein viertes Mal verschoben werden muss – diesmal auf unbestimmte Zeit.

Parteiintern soll Wowereit zu Wochenbeginn seinen Rücktritt angeboten haben. Zumindest ließ SPD-Landeschef Jan Stöß sich zunächst mit der Aussage zitieren, er habe den Regierungschef vom Rücktritt abgehalten. Später korrigierte er seine Aussage: Er und SPD-Bundeschef Sigmar Gabriel hätten Wowereit gebeten zu bleiben. Zurückgetreten ist Wowereit bisher nur als Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft, die das Großprojekt im Auftrag des Bundes sowie der Länder Berlin und Brandenburg baut. Mitglied in dem 15-köpfigen Kontrollgremium aber will Wowereit bleiben.

Den Grünen reicht dieses Rücktrittchen nicht. Sie wollen Wowereit, der in wenigen Tagen zum bundesweit dienstältesten Ministerpräsidenten wird, auch aus dem Roten Rathaus vertreiben. Sie stellten einen Misstrauensantrag, über den das Berliner Landesparlament gestern diskutierte. Abgestimmt wird bei einer Sondersitzung am Samstag.

Auch Wowereits designierter Nachfolger als Aufsichtsratschef steht schon in der Kritik. Es soll der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) werden, bislang Vizechef des Gremiums. Der Rollentausch stößt nicht nur bei der Opposition im Abgeordnetenhaus aus Grünen, Linkspartei und Piraten auf Ablehnung. „Versagerrochade“, hieß es in der Parlamentssitzung in einem Zwischenruf aus ihren Reihen. Auch Wowereits Koalitionspartner CDU hatte andere Vorstellungen, sie beschränkt sich offiziell darauf zu sagen, man nehme den Wechsel als Wowereits Entscheidung zur Kenntnis.

Auf Bundesebene fällt der Widerstand gegen Platzeck deutlicher aus. Nachdem es anfangs nur von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hieß, er lehne Platzeck ab, folgten am Donnerstag FDP-Chef Philipp Rösler – „eine Farce“ – und diverse Unionsparlamentarier. Am heftigsten äußerte sich der CSU-Bundestagsabgeordnete Herbert Frankenhauser in der Welt: „Dass eine Pfeife durch eine stellvertretende Pfeife ersetzt werden soll, erscheint wenig sinnvoll.“

Die nächste Aufsichtsratssitzung ist für Mittwoch angesetzt. Schon am Montag debattiert der Brandenburger Landtag über Platzecks politische Verantwortung. Anders als Wowereit, der sich einem Misstrauensantrag der Opposition stellen muss, hat Platzeck von sich aus die Vertrauensfrage gestellt. Er kann dabei auf die Linksfraktion zählen, mit der er seit 2009 regiert, muss aber mit Neinstimmen der CDU rechnen. Im nur 30 Kilometer entfernten Berliner Landesparlament ist es umgekehrt. Hier darf Wowereit auf Unterstützung seines Koalitionspartners CDU setzen. Die Berliner Linksfraktion hingegen will das Misstrauensvotum gegen ihn unterstützen, denn es gehe ihr nicht um den Flughafen, sondern um die Regierungsleistung. STEFAN ALBERTI