Klischees im Kammerspiel

„Everything I did I did out of love for you“: Candice Breitz zeigt im Ruß-Haus ihre „Mother“-Installation. Es treten auf: Sechs Hollywood-Schauspielerinnen, heraus geschnitten aus ihren Rollen

„Ich will hier keinen Techno-Fetischismus, sondern gesellschaftlich relevante Themen“. Klare Worte von Sabine Himmelsbach, bezogen auf das Oldenburger Edith-Ruß-Haus für Medienkunst, das Himmelsbach seit fünf Wochen leitet. Und was ist gesellschaftlich relevanter als das Muttertum? Candice Breitz „Mother“-Installation, obgleich noch von Himmelsbachs Vorgängerin Rosanne Altstatt geplant, passt also wie die Faust aufs Auge – oder wie das Hollywood-Gesicht in den Bildschirm.

Candice Breitz nämlich rekrutiert ihr „Mother“-Material aus einschlägigen Filmproduktionen. Diane Keaton, Susan Sarandon oder Maryl Streep etwa, die im Scheidungsdrama „Kramer gegen Kramer“ um ihren Sohn kämpft. Sie alle sind aus ihren Ursprungsfilmen herausgeschnitten und agieren jetzt in sechs nebeneinander stehenden Monitoren (scheinbar) miteinander. Anders ausgedrückt: Breitz hat die Figuren gekidnappt und in ihr persönliches Kammerspiel verschleppt.

Dort schlagen sie sich ihre Kommunikationsfragmente um den Kopf oder weinen und streiten vereinzelt vor sich hin. Im Prinzip funktioniert das ganze wie das Scretching eines DJs: Breitz bedient sich einzelner Sequenzen, lässt sie vor- und rückwärts laufen, miteinander in Beziehung treten bis eine neue Komposition entsteht. Der technische Vorgang dahinter ist komplex: Frame für Frame (als 24-mal pro Filmsekunde) wurden die Frauen aus ihren jeweiligen Handlungen herausgelöst – drei Monate Arbeit für sechs Cutter.

Die Mühe hat sich gelohnt. Denn wie Faye Dunaway ins schwarze Off ohrfeigt, das hat schon was. Oder man freut sich am zigfach wiederholten „I’m ashame to be your mother“. Breitz macht die Figuren zu Marionetten, isoliert auch winzige Ausschnitte, etwa Sarandons zuckenden Mundwinkel, und multipliziert damit den Moment ins Groteske. Gerade Sarandon hat Breitz offenbar besonders zur puppenhaften Behandlung gereizt, aber auch Shirley McLaines gepflegten Wahnsinn bringt sie montierend bestens zur Geltung, nicht zu verachten ist natürlich auch ein Robertsscher Augenaufschlag in Endlosschlaufe.

Breitz verteilt Rollen: Es gibt die Manipulativ-Verständnisvolle („I hear you’re laming me“), die tragisch Gelassene, die Empörte („Would you please tell me what is the awfull thing I did?!“) und die Mütterlichkeit an und für sich: „Everything I did I did out of love for you“. Im Gesamtbild entstehen so Auf- und Abtritte, tränenreiche Tutti und intime Soloabschnitte – ein geradezu musikalischer Plot der sich bis zum Perkussiven steigert.

Breitz hat aus ihrer Hollywood-Ausbeute also eine veritable Komposition gemacht. Die dazu gehörige Partitur ist (ausschnitthaft) im Erdgeschoss des Ruß-Hauses zu sehen: Eine neun mal zwei Meter messende Tafel, auf der die sechs Monitorspuren übereinandergelegt zu sehen sind: wiederum Frame für Frame, eine Minute lang. Das dahinter stehende Prinzip des Bilderrecyclings hat mit „Found-Footage“ schon einen eigenen Gattungsnamen.

„Mother“ reiht sich ein in Breitz’ Arbeiten über das Verhältnis von Fans zu ihren Idolen – schließlich sei das ein ähnliches wie zwischen Eltern und Kindern, findet Breitz. „Legend 2005“ zum Beispiel, diesen Sommer in Basel als Installation mit 30 Kanälen realisiert, zeigt ebenso viele Bob Marley-Fans, die ihr Lieblingslied nachsingen. Breitz sieht den Star als Summe seiner Fans. Eine ähnliche Verarbeitung erfuhren die besten Szenen aus 13 Jahren „Dallas“. Aber „Mother“ ist natürlich die beste, um eines der (ganz wenigen) bei Breitz noch nicht verarbeiteten Klischees zu bemühen. Angenehm ist, dass Breitz’ Arbeit selbst ziemlich unbemüht daher kommt. Henning Bleyl

Bis zum 8. Januar 2006 im Oldenburger Edith-Ruß-Haus, Katharinenstraße 23. Die Eröffnung findet Sonntag um 20 Uhr statt, am 15. November (20 Uhr) gibt es ein öffentliches Künstlergespräch mit Candice Breitz. Öffnungszeiten: Di - Fr 14 bis 17 Uhr, Sa + So 11 bis 17 Uhr. Führungen: sonntags 15 Uhr