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Urban Gardening in New YorkEs begann in der Lower East Side

Bedroht von Bauprojekten, gefördert vom Trend: Die Community-Gärten in einer Stadt, die Nummer eins bei der Klimaprävention werden will.

Classie Parker und ein Nachbar in ihrem Garten in Harlem. Foto: Elisabeth Meyer-Renschhausen

An der 6. Straße zwischen Avenue B and C fehlen zwei Häuser. Auf dem Grund hinter dem hohen Zaun liegt ein Garten. Die Leute, die damals in der Nachbarschaft wohnten, haben ihn vor ungefähr 30 Jahren als Community-Garten angelegt. Denn außer dem übervölkerten Tompkins Square und den Straßenbäumen gibt es in dieser Gegend kaum Grün. Es ist Oktober. Überall im Garten blühen Rosen, Astern und gelber Topinambur, dazwischen duften Thymian, Salbei, Lavendel Rosmarin.

Die rotbäuchigen Wanderdrosseln, die im Herbst auf ihrem Weg in den Süden in New York Station machen, flöten in Bäumen und picken dicke Löcher in die Äpfel. Soretta Rodack zeigt auf Phlox, Winteranemonen und amerikanisches Eisenkraut. „Unser Garten ist sehr fotogen, hier wurden schon viele Filme gedreht“, sagt sie. „Wir zeigen den Menschen, wie erstaunlich vielfältig die Natur ist. Die Kinder von der benachbarten Earthschool sind oft hier.“

Soretta ist die Vorsitzende des Community-Gartens. In den sechsziger Jahren kam sie aus der Karibik nach New York, fand hier Arbeit und mit anderen zusammen eine billige Wohnung. Eine zweite Gärtnerin schneidet Verblühtes ab. Die beiden kennen sich schon lange, verständigen sich auf Spanisch.

Als Vorsitzende muss sie mit den New Yorker Parkamt zusammenarbeiten. „Viel Papierkram ist das. „Nicht so meins“, sagt sie. 400 Community-Gärten liegen auf städtischem Grund. Dazu gibt es um die 160 Gärten, die auf Land liegen, das durch Kauf vor der Bebauung gerettet wurde, und einige auf privatem Land.

Es begann in den siebziger Jahren

Die ersten Gemeinschafts-Gärten entstanden in den siebziger Jahren, damals besetzten die GärtnerInnen einfach die Brachen. Die „Green Guerillas“ gibt es bis heute. Aber jetzt ist es eine etablierte NGO. Damals entstanden allein in der Lower Eastside im Süden von Manhattan über 40 solcher Community-Gärten als (halb-)offene Nachbarschaftstreffs.

Ein Community-Garten, der immer offen steht, liegt ein paar Straßen weiter. Der „Little Secret Garden“ ist ein schmales, durch Häuser und Bäume verschattetes Stückchen Land. Zwischen Büschen und Vogelhäuschen sitzen Nachbarn, hier ein Liebespärchen, dort eine Lesende, unterm Baum ein älterer Herr und am runden Tisch Studenten mit Laptops.

Dieser Sommer war zu heiß. So heiß, dass wir tagsüber kaum in den Garten konnten

Die Gärtnerin Helen

Am Eingangstor liegt ein Buch, in dem die wechselhafte Geschichte der Lower East Side und der Community-Gärten erklärt wird. 1840 hieß die Gegend nach der Haupteinwanderergruppe „Germantown“. Auf einer handschriftlich verfassten Einladung steht: „Gardenmeeting every 1st Wednesday a month.“ Jeder ist willkommen.

Im nächsten Garten, zwischen 9th Street und der Avenue C ist das Tor angelehnt. Mitten im Dickicht blau blühender Prunkwinden, Begonien und Dahlien steht eine Hütte. Ältere Herren erweitern gerade mit viel Maschinenlärm den Kochstand. Sie nicken allen freundlich zu, sie sprechen spanisch. Hinter einem kleinen Zaun wirtschaftet Helen zwischen Kohlpflanzen.

Sie ist aus England zugewandert und wohnt im angrenzenden Hochhaus. Die 70-Jährige gehört zum Vorstand des Gartens. Ihre Kolleginnen aus den Niederlanden und der Karibik setzen sich zu ihr. „Dieser Sommer war zu heiß“, sagt Helen. „So heiß, dass wir tagsüber kaum in den Garten konnten. New York braucht viel mehr Grün zur Kühlung.“

Bürgermeister De Blasio hat andere Pläne

Der neue demokratische New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio sieht das anders. Er will – wie sein Vorgänger Rudolph Giuliani 1999 – die Flächen der Gemeinschaftsgärten bebauen lassen. Einfach wird das aber nicht, denn der Land Trust verteidigt die Gärten. Classie Parker in einem Community-Garten in Harlem erklärt, wie. Sie wollen das Gartenland kaufen, das bebaut werden soll.

Urban Gardening

Community Gardens: Die meisten der 40 ältesten Community-Gärten New Yorks liegen dicht beieinander in der nördlichen Lower East Side, heute „East Village“ genannt: www.earthcelebrations.com/garden-preservation/les-garden-map/ Offen an den Wochen­enden und wenn einer da ist: 6BC Botanical Community Garden, 6th Street zwischen den Avenues B und C; 9th Street Community Garden and Park; La Plaza Culturale Community Garden. Immer offen: Creative Little Garden, 530 E. 6th Street, Cross Streets, Avenues A and B

Greenmaps: Wenn man sich in New York schon etwas auskennt, kann man mittels der greenmaps von GrowNYC nach offenen Community-Gärten suchen: www.grownyc.org/openspace/mapping

Homepage des städtischen Community Gardens Program: www.greenthumbnyc.orgDie älteste NGO zu den ­Community-Gärten: www.greenguerillas.org/

Überblick zu den Community-Gärten in Deutschland: www.stadtacker.net sowie die Homepage der Anstiftung in München www.anstiftung.de und viele andere mehr. Vernetzend aktiv in Berlin ist der Gemeinschaftsgarten Allmende-Kontor auf dem Tempelhofer Feld: ­www.allmende-kontor.de

Bücher von Elisabeth Meyer-Renschhausen: „Unter dem Müll der Acker – Community Gardens in New York City“. Ulrike Helmer Verlag, Königstein im Taunus 2004; „Die Hauptstadtgärtner – Tipps vom Allmende-Kontor auf dem Tempelhofer Feld“. Jaron Verlag, Berlin 2015

„Was allerdings viel Verhandlungsgeschick erfordert.“ 1999 hatte der Land Trust in New York 62 Gemeinschaftsgärten gekauft, um sie vor Investoren zu schützen. Er ist Teil der überregionalen Land-Trust-Bewegung, die in den USA bereits Tausende von Hektar vor Bebauung gerettet hat.

Classie Parker, die gerne schöne Hüte trägt, lebt schon immer in Harlem. Den ersten Garten gründete sie Mitte der neunziger Jahre auf einem hässlich vermüllten Grundstück, um ihrem Vater den Einstieg in den Ruhestand zu ermöglichen. Er hörte dann zwar doch nicht auf, aber er brachte den Neugärtnerinnen das Anbauen von Gemüse bei. Die Eltern hatten in North Carolina eine kleine Farm. Während Classie Parker früher Donuts verkaufte, arbeitet sie heute als medizinisch-technische Assistentin.

Die Mitarbeit in den vielen Gremien zur Rettung der Gemeinschaftsgärten hätten ihr viele Chancen eröffnet, betont sie. Anfangs gründeten sie in ihrer Straße ganze fünf Gemeinschaftsgärten, bevor Giuliani die vier anderen verhökerte. In den frühen 2000er Jahren standen an ihrer Stelle halbfertige Bauruinen. Nun ist auch der letzte Garten in Gefahr. Weil die alte Bewohnerschaft zwangsweise in die Bronx umgesetzt wurde und sich die jungen Bewohner nicht genug kümmern könnten. Sie bräuchten, erzählt Parker, zwei Jobs, um überhaupt überleben zu können.

Der neue Bürgermeister de Blasio möchte auf Community-Garten-Land Häuser bauen – Sozialwohnungen, wie er angibt. Dennoch steht dies im Widerspruch, denn die Stadt New York will Nummer eins in Sachen Umweltschutz und Klimawandelprävention werden. Zumindest behaupten das die Vertreter der Stadt auf der Tagung „Cities Alive“.

Behörden fördern Umweltschutz und Recycling

Der Supersturm „Sandy“ im Herbst 2012 hatte New York voll gelaufene Keller und Tunnel beschert. Es entstanden hohe Kosten, bis endlich die U-Bahn-Schächte wieder leer gepumpt waren. Auch der viel zu heiße Sommer 2015 belegt: Der Klimawandel ist Fakt. Regenwasser-Auffangbecken, Straßenrand-Grün samt Gräben, und die Förderung der urbanen Agrikultur, darunter auch Dachfarmen, sind ein Mittel, die Folgen von Extremregen zu mildern.

Cynthia Rosenzweig vom NASA Goddard Institut for Space Studies sagt, der Wasserspiegel sei im letzten Jahrhundert an der nordamerikanischen Küste nicht nur um 8, sondern sogar um 30 Zentimeter gestiegen. Es wäre dringend geboten, den Klimawandel anzuerkennen. Besonders für eine Stadt wie New York, die kilometerlange Küsten hat.

Seit 2012 bemüht sich die Stadt darum, die Menschen für Klimapolitik, Umweltschutz, Recycling und Mülltrennung zu interessieren. „Grow New York City“ („GrowNYC“) ist eine Art Behörde, ein „Programm“, das direkt beim Bürgermeister angesiedelt ist.

GrowNYC betreibt 40 Gemüsemärkte durch Förderung der Direktvermarktung vom Umland in die Stadt. Es setzt sich für Umwelt- und Ernährungsbildung via Schulgärten ein und fördert das Einsammeln der Küchenabfälle auf den Gemüsemärkten. Und bietet nun auch ein einjähriges Umschulungsprogramm zum Stadtbauern an. Die jungen Leute arbeiten währen der sieben Sommermonate als Freiwillige in verschieden Community-Gärten oder Cityfarmen mit und erhalten zugleich theoretischen Unterricht. Arbeitsplätze müssen sie sich danach allerdings selbst beschaffen.

GrowNYC fördert Jugendfarmen in Stadtteilen außerhalb der inneren City, wo es mehr Freiflächen gibt. Entgegen offiziellen Statistiken sind Arbeitslosigkeit und Armut unter den Migranten im östlichen Brooklyn oder in East New York groß. Auf dem samstäglichen Farmers Market in East New York ist gute Stimmung. Der Gemüsemarkt wurde vor 20 Jahren ins Leben gerufen, um eine Perspektive gegen Armut, Erwerbslosigkeit und Drogenkonsum zu schaffen. Joshua, 17 Jahre alt, erzählt mit lässiger Professionalität.

Ausbildung im biologischen Gemüseanbau

Joshua arbeitet bei East New York Farms den ganzen Sommer über und die anderen Monate nach der Schule. Im Jugendgarten ackern sie drei Tage die Woche, die anderen Tage haben sie Unterricht. Insgesamt sind sie 30 junge Leute, die so Grundzüge des Bio-Anbaus sowie die Vermarktung des Gemüses lernen.

Damit könnten sie in Gärtnereien arbeiten oder einen Gemüsemarkt leiten. Blackie aus einer Familie aus Jamaika erzählt, wie gerne sie nun Landwirtschaft studieren würde, leider wäre das nächste College für Gartenbau sieben Stunden von New York entfernt. Und so weit weg von der Familie zu sein, könne sie sich nicht vorstellen.

Lenny Librizzi, einer der Direktoren von GrowNYC, ist sich sicher, dass die jungen Leute eine Chance hätten: Angesichts der wachsenden Bedeutung von Local Food scheint die urbane Agrikultur und die Rückkehr zum Gemüseanbau in der Umgebung folgerichtig. Er ist zuversichtlich: Bereits früher habe die Stadt New York mit gewissem Erfolg Programme aufgelegt,die mittellosen Zuwanderern Chancen in der Landwirtschaft im Umland eröffneten.

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