Herr Büttner, stoppen Sie diesen Irrsinn!

Die Telekom will aus der Kugel des Fernsehturms einen riesigen Fußball machen. Einen magentafarbenen Fußball. Der Einzige, der das Wahnsinns-Werbeprojekt stoppen kann, ist Harald Büttner, Chef des Straßenamtes Mitte. Ein Überredungsversuch

INTERVIEW ULRICH SCHULTE

taz: Herr Büttner, Sie haben den Telekom-Antrag auf dem Schreibtisch. Zerreißen Sie ihn. Bitte.

Harald Büttner: Das werde ich nicht tun. Weil ich von der Idee überzeugt bin. Sie ist witzig, emotional und wird das Bild unserer fußballverrückten Stadt maßgeblich prägen. Stellen Sie sich das doch mal bildlich vor: Berlins höchstes Bauwerk derartig dekoriert, das wird eine unglaubliche Wirkung auf die Fans entfalten. Die Kraft, Wucht und Stärke des Spiels wird durch den Telespargel samt seiner Fußballkugel wunderbar gespiegelt.

Wir könnten auch über eine Gratifikation reden. Ein paar taz-Freiabonnements für das Bezirksamt, Gratisanzeigen für Mitte …

Vergessen Sie’s, am Geld liegt’s nicht. Fußball ist Emotion, und dieses Symbol wird Emotion pur sein, das verspreche ich Ihnen. Ich habe nach den ersten Presseberichten schon Briefe von begeisterten Bürgern bekommen. Der Zuspruch der Leute ist da.

Aber ein Turm ist ein Turm ist ein Turm. Kein Riesenfußball. In Magenta!

Gut, die Farbe war ja bisher eher im Radsport zu finden. Wenn sich ein Unternehmen aber stark macht, den Blick weitet, sich, äh, sozusagen aufbläst im positiven Sinne, ist das doch toll. Gestatten Sie mir eine persönliche Bemerkung …

Gern.

Wir, der Bezirk Mitte, haben ja auch was gutzumachen. Schließlich haben wir auch schon einige sportliche Aktivitäten auf der Wiese vor dem Reichstag abgepfiffen. Jetzt hängen wir den Fußball richtig hoch. Dieses strahlende Zeichen wird bis nach Brandenburg hinein zu sehen sein.

Was sollen ausländische Gäste von einer Stadt denken, die sich als Wahrzeichen eine pinke Riesenpille wählt?

Ich halte mich an die Worte des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit, der ja in der Sache einen Brief an den Bezirk geschrieben hat. Es ist eine Telekom-Idee für die Stadt Berlin und mit der Stadt Berlin. Es handelt sich um eine einmalige Gelegenheit, für Berlin zu werben, und auch die BerlinerInnen werden den Fußball-Alex goutieren. Hier findet das Endspiel statt, hier müssen eindeutige Symbole her. Und an Eindeutigkeit lässt das Symbol nichts zu wünschen übrig.

Das ist wohl wahr. Wird es eigentlich ein klassischer Fußball mit 12 Fünfecken und 20 Sechsecken?

Ja, er sieht tatsächlich wie ein Fußball aus. Ein großes T ist drauf, außerdem ein stilisiertes Brandenburger Tor mit dem Berlin-Schriftzug. Darum geht es nämlich hier: um eine Partnerschaft unter Sportsfreunden. Die Farbe ist etwas gewöhnungsbedürftig, zugegeben, aber Fußball-Fans mussten sich ja schon an einiges gewöhnen.

Es soll Folie aufgeklebt werden. Kann man überhaupt noch aus dem Turm herausschauen?

Ja. Die Folie ist von hinten durchsichtig – und, das nur am Rande, ein echtes High-Tech-Produkt. Mit ihr klebt man auch Werbe-Logos auf Flugzeuge. Die kann Höhen von 10.000 Metern ab, 300 Meter sind da ein Klacks. Das Zeug ist reißfest, übersteht Temperaturen zwischen minus 60 und plus 70 Grad Celsius und hält Geschwindigkeiten bis 1.000 Stundenkilometer aus. Was wollen Sie mehr? Uns fehlt nur noch ein Prüfbericht zu Folie, der zum Beispiel die Brennbarkeit untersucht. Aber dann steht dem Ganzen nichts mehr im Wege.

Wie kommt die Folie an die Kugel?

Dafür werden sich fünf bis zehn zugelassene Gewerbekletterer mit gesetzlicher Zulassung von einer Versorgungsplattform herunterlassen. Allein das Aufkleben wird eine Riesenschau.

Der Fußball bleibt bis zum WM-Ende kleben. Kriegen Sie die schöne silberne Kugel überhaupt wieder sauber?

Das ist Sache der Telekom. Es gibt natürlich vorher und hinterher eine Abnahme. Ich wette, die Kugel wird danach sogar noch blanker sein. Sie wird schließlich geputzt.

Was bezahlt die Telekom Berlin für die optische Luftverschmutzung?

Da leben wir allein von der Wirkung.

Runde Formen scheinen die Fantasie der Fußballstrategen besonders anzufachen. Die Reichstagskuppel ist auch rund. Gibt’s da Ideen?

Die gibt es ohne Ende. Nur der bisherige Hausherr, Herr Thierse, hat sein Herz für solche Vorschläge nicht öffnen können, obwohl er fußballbegeistert ist. Aber nun wird die Stelle neu besetzt. Und die Kreativen können neu vorstellig werden.

Herr Büttner, mal ehrlich: Haben Sie noch mehr Geschmacklosigkeiten in petto?

Uns wurden noch andere, tolle Sachen vorgestellt, die wir noch im Herzen tragen. Ein Stollenschuh in der Größenordnung von 10, 15 Metern Unter den Linden zum Beispiel …

Du liebe Güte.

… oder die Umgestaltung des Brandenburger Tors in ein Fußballtor. Nebst Elfmeter-Punkt. Außerdem wurde vorgeschlagen, dem Rufer, der Bronzestatue auf der Straße des 17. Juni, ein Trikot überzustreifen und ihn als WM-Star herzurichten. Originell, verrückt, quer gedacht – ich weiß auch nicht, wie die auf solche Sachen kommen. Also, ich will nicht zu viel versprechen, aber in der Hinsicht können wir noch nachlegen.

Und für brenzlige Situationen im Strafraum sorgen.

Ja, den ein oder anderen Steilpass kann’s geben, wir können uns noch auf erheiternde Szenen freuen.