piwik no script img

Berliner SzenenSteht auf Facebook

Love of Jesus

Die Syrer bekommen doch schon so viel Begrüßungsgeld

An einem Dienstagmorgen, kurz vor zehn bietet der Tiefwerder­weg im Osten Spandaus ein ungewöhnliches Bild: In der kleinen Straße stehen an die 40 Menschen mit Einkaufsrollern dicht gedrängt vor einem verschlossenen Tor. ­Dahinter ist ein funktionaler 50er-Jahre-Flachbau. Nur ein großes Kreuz macht ihn als Kirchengebäude kenntlich. Ab elf Uhr gibt ein Helfer des karitativen Projekts „Herz & Hand“ hier vor der protestantischen Freikirche für jeweils 3 Euro Essenmarken aus, ab zwölf kann man für die Marke unten in den Kellerräumen der Kirche Obst bekommen, Gemüse, Brot, Blumen und was sonst gerade von den Discountern aussortiert wurde.

Um elf ist aus den etwa 40 Wartenden vor den Toren der Adventkapelle eine unzählbare Masse geworden, aus der Schlange ein Pulk, der von links und rechts an den Zaun drängt. Hinzukommende stellen sich nach vorne zu Bekannten oder drängen von rechts und links in die Mitte. Die Hintanstehenden versuchen, sich zu wehren, und schimpfen lautstark, die Drängler zucken mit den Achseln, sagen, sie hätten vorher schon angestanden, oder reagieren gar nicht. Eine Afroamerikanerin, die mit ihren drei Kindern ganz hinten steht, bekreuzigt sich und murmelt: „By the love of Jesus – such behaviour in front of a church.“

„Nich falsch verstehn, aber seit die gekommen sind, geht es in der Schlange zu wie auf’m Basar“, sagt eine Blondine mit osteuropäischem Akzent mit Blick auf eine Gruppe Syrer. „Dabei haben die es doch gar nicht nötig, hier wegen Essen zu stehen. Die bekommen doch schon so viel Begrüßungsgeld.“ „Wo haben Sie denn so was her?“, fragt eine junge Frau. Die Blondierte scrollt auf ihrem Smartphone und hält der jungen Frau ein Fenster mit geöffneter Pegida-Seite hin: „Da. Das steht schwarz auf weiß auf Facebook!“

Eva-Lena Lörzer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen