Zwei Nullen weg

WÄHRUNGSSCHNITT Nordkorea reformiert seinen Won und sorgt damit für Empörung bei den Sparern

PEKING taz | Nordkoreas Herrscher Kim Jong Il greift seinen Bürgern in die Tasche. Bis gestern mussten die Nordkoreaner ihre alten Won-Noten eintauschen: Für 100 alte erhielten sie einen neuen Won. Mit dem Druck neuer Geldscheine will Kim Inflation, Geschäftemacherei und unkontrollierten Handel bekämpfen. Alle staatlichen Läden und Märkte wurden vorerst geschlossen.

Für viele Nordkoreaner, die sich in den vergangenen Jahren ein gewisses finanzielles Polster angespart hatten, hat die Währungsreform böse Folgen, denn sie dürfen nicht ihr ganzes Geld einwechseln. Die Höchstsumme liegt bei 100.000 Won, was einem Schwarzmarktkurs von etwa 50 Euro entspricht. Eine vierköpfige Familie darf bis zu 300.000 alte Won tauschen.

Besonders betroffen sind private Händler. Offenbar wollen konservative Kräfte im Militär und in der Regierung die Wirtschaft schärfer als bisher kontrollieren und den staatlichen Sektor stärken. Nachdem das öffentliche Versorgungssystem in den 1990er-Jahren immer wieder zusammenbrach, blühte in jüngster Zeit der private Handel auf. Seit 2002 gibt es richtiggehende Privatmärkte. Folge: Viele Nordkoreaner suchen neben ihren schlecht bezahlten staatlichen Jobs andere Verdienstmöglichkeiten. Sie gründen in ihren Wohnungen oder in Nebenräumen von Staatsbetrieben eigene Schneidereien, Kneipen oder Werkstätten.

Gleichzeitig wuchert die Korruption. Funktionäre mit guten Beziehungen nach China oder Japan organisieren einen schwunghaften Handel. Auf den Märkten der Hauptstadt Pjöngjang konnte, wer es sich leisten konnte, in den vergangenen Jahren nicht nur Grundnahrungsmittel wie Reis finden – für 1.500 Won pro Kilo, bei einem durchschnittlichen Monatsgehalt von 4.000 Won. Auch exotische Früchte wie Ananas, Bananen oder australische Äpfel waren erhältlich, und selbst Mobiltelefone sind in der Hauptstadt keine Seltenheit mehr.

Mit der Währungsreform will Kim anscheinend versuchen, den Zerfall des nordkoreanischen Sozialismus aufzuhalten. „Die Währungsreform zielt vor allem darauf ab, die neue nordkoreanische Mittelschicht zu zerstören“, sagt der deutsche Nordkorea-Experte Rüdiger Frank. „Kein Geld, kein Handel – das scheint die Logik zu sein.“JUTTA LIETSCH