Shooting Star am Klavier

KLASSIK-NACHWUCHS Mit Mitte 20 gilt Igor Levit als einer der viel versprechendsten jungen Pianisten. Ganz ohne Plattenaufnahme und Marketing-Kampagne. Morgen ist der russisch-deutsche Pianist zum Auftakt des Festivals Rising Stars in der Laeiszhalle zu Gast

Es sind allein die Konzerte, die Igor Levits Ruf als Shooting Star begründen

VON ROBERT MATTHIES

In Windeseile hat Igor Levit, gerade mal Mitte 20, die ersten Stufen seiner noch weit nach oben führenden Karriereleiter erklommen. Ganz ohne jegliche Plattenaufnahme und ohne Unterstützung durch die längst branchenübliche professionelle Marketing-Kampagne. Es sind allein seine gefeierten Konzerte, die den Ruf des 1987 in Nischni Nowgorod geborenen und Mitte der 90er mit seiner Familie nach Hannover übergesiedelten Shooting-Stars begründen.

Noch vor dem Abschluss seines Examen bescheinigte ihm die renommierte Musikkritikerin Eleonore Büning vor zwei Jahren in einem seitdem viel zitierten euphorischen Porträt in der Frankfurter Sonntagszeitung, das Zeug dazu zu haben, „einer der großen Pianisten dieses Jahrhunderts zu werden. Besser gesagt, er ist es schon.“ Weil Levit im Gegensatz zu „all den anderen netten, schmiegsamen, gutaussehenden Notenabspielern“, denen meist nur eine kurze Saison als vielversprechender Nachwuchs-Star vergönnt ist, über alles verfüge, was einen großen Pianisten tatsächlich auszeichne. Nicht nur Virtuosität und die Fähigkeit schwierigste Literatur brillant zu bewältigen, sondern vor allem, etwas vom Leben zu verstehen und davon, wie es sich in Musik widerspiegele.

Und auch Wolfram Goertz attestiert dem mit aberwitziger Simultaneität sein Repertoire erweiternden „Vielfraß am Klavier“ in der Zeit „das Pianisten-Gen. Musik fliegt ihm zu. Selbst hässliches Zeug bekommt er in wenigen Tagen in die Finger.“

Ein derart „hässliches Zeug“ ist etwa Frederic Rzewskis knapp einstündiger Variationenzyklus „The People United Will Never Be Defeated“, die der US-amerikanische Komponist der Pianistin Ursula Oppens Mitte der 70er als Gegenstück zu Beethovens „Diabelli-Variationen“ gewidmet hat. Als eines der schwersten Klavier-Stücke aller Zeiten gelten die 36 Variationen über den chilenischen Revolte-Soundtrack von Sergio Ortega und Quilapayún, spielbar nur für eine Handvoll Pianisten. Levit tourte letztes Jahr mit beiden Stücken durch Europa, spielte selbst die ungreifbarsten Stellen fehlerfrei und mit sichtlicher Inbrunst.

Am Klavier saß Levit, unterrichtet von seiner in der russischen Klaviertradition stehenden Mutter, schon als Dreijähriger, studiert hat er bei Klavier-Koryphäen wie Hans Leygraf und Pavel Gililov am Salzburger Mozarteum oder Karl-Heinz Kämmerling in Hannover.

Etliche Preise hat Levit schon als Teenager gewonnen. Mit 16 Jahren erspielte er sich den 2. Preis beim International Maria Callas Grand Prix in Paris, den 1. Preis beim International Hamamatsu Piano Academy Competition und den 2. Preis der Kissinger Klavier Olympiade. Beim International Arthur Rubinstein Piano Master Competition im folgenden Jahr gab es für Levit gleich mehrere Preise: die Silbermedaille, den Sonderpreis für Kammermusik, den Publikumspreis und den Sonderpreis für die beste Aufführung des zeitgenössischen Pflichtstücks.

Morgen Abend eröffnet Levit das Rising Stars-Festival in der Laeiszhalle mit zwei Beethoven-Sonaten und Schostakowitschs 24 Präludien op. 34. Beethovens Solo-Werke sind auch Thema von Levits erster Plattenaufnahme, die im Herbst bei Sony Classical erscheinen wird.

Zu hören sind beim Rising Stars-Festival außerdem die Flötistin Daniela Koch, die Gambistin Romina Lischka, die Mezzosopranistin Isabelle Dreut, der Geiger Ádám Banda und das Dahlkvist Quartet.

■ So, 13. 1., 19.30 Uhr, Laeiszhalle (Kleiner Saal), Johannes-Brahms-Platz, weitere Konzerte bis So, 20. 1.