Moment des möglichen Rücktritts

DAS FLUGHAFENDESASTER I

Sich öffentlich zerknirscht zu geben, sich gar zu entschuldigen, das ist nicht Wowereits Sache

Montagnachmittag, es dämmert. Die Spitze des Fernsehturms verschwindet in den Wolken. Hunderte schwarze Vögel fliegen plötzlich auf und kreisen über dem Roten Rathaus. Da drin ist irgendwo Klaus Wowereit. Seit 2001 hat er in diesem Gebäude das Sagen, gestern wurde die vierte Verschiebung der Flughafeneröffnung bekannt. Wowereit muss sie erklären. Wer weiß, vielleicht sitzt er gerade an seinem ausladenden Schreibtisch und überlegt, wie sehr er an diesem Amt noch hängt, wie viel Druck er noch aushält. Vielleicht feilt er gerade an seinen letzten Worten als Regierender.

Im Treppenhaus drängeln sich Journalisten, Fotografen und Kameraleute. Wowereits Sprecher schlängelt sich durch die Menge. Es gebe ein kurzes Statement vor Wowereits Büro, keine große Sache. „Klingt nicht nach Rücktritt“, sagt eine Kollegin. „Rücktritt?“, blökt ein anderer. „Doch nicht Wowereit. Den muss man hier raustragen!“

Die Journalisten sollen sich im Kreis vor der Bürotür des Regierenden versammeln. Warum er sich nicht in einem normalen Raum äußern will, liegt auf der Hand: viel zu viele Möglichkeiten für Nachfragen. Und wenn er plötzlich verschwände, sähe es aus wie Flucht.

Wowereit kommt schließlich nicht aus seiner Tür, sondern von der Seite – und nicht durch. Laute Lacher. Dann steht er vor den Mikrofonen, etwas blass um die Nase. Aber er redet klar, wie immer. Der Flughafen könne zu Ende gebaut werden, erklärt er. Er trete als Chef des Aufsichtsrats zurück. Sein Amtskollege in Brandenburg, Matthias Platzeck (SPD), werde das Amt übernehmen.

Sich öffentlich zerknirscht zu geben, sich gar zu entschuldigen ist nicht Wowereits Sache. Er klopft keine Sprüche. Ansonsten aber lässt er sich nichts anmerken. Auf die dreimalige Nachfrage, ob er denn nun zurücktrete, lächelt er etwas gequält und verneint. Dann verlässt er die Runde. Draußen ist es dunkel geworden. ANTJE LANG-LENDORFF