Jubiläum mit Licht und Schatten

Die älteste Lehrergewerkschaft der Welt, die Hamburger GEW, wird 200 Jahre alt. Zum Festakt kommt sogar Bildungssenatorin Dinges-Dierig. Zur kritischen Aufarbeitung der Geschichte gehört der Kauf des Hauses einer jüdischen Familie zur Nazi-Zeit

von Kaija Kutter

Die Hamburger Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist die älteste der Welt: Am kommenden Freitag feiert sie ihren 200. Geburtstag. Bereits 1805 hatte der Pädagoge und Publizist Johann Carl Daniel Curio im Hamburger Krayenkamp, wo er eine Privatschule betrieb, mit drei Lehrern und einem Kaufmann die „Gesellschaft der Freunde des Vaterländischen Schul- und Erziehungswesen“ gegründet. Deren rechtmäßige Nachfolgeorganisation wurde nach dem Zweiten Weltkrieg die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.

Schon damals seien die Ziele denen der heutigen GEW vergleichbar gewesen, berichtet der Hamburger Vorsitzende Klaus Bullan: „Es ging um die Verbesserung des Schulwesens und der Arbeitsbedingungen der Menschen, die dort arbeiten.“ Curio wollte die „bürgerliche Lage“ der Pädagogen verbessern. Die Gesellschaft gründete eine Bibliothek und stellte Unterrichtsmaterialien her, die Jahrzehnte lang wegweisend blieben. Aus Mitgliedsbeiträgen wurde eine Witwen- und Pensionskasse finanziert und 1911 das imposante Curiohaus an der Rothenbaumchaussee mit seinen schönen Sälen erbaut.

Zum Jubiläum gibt es eine dreiwöchige Veranstaltungsreihe, an deren Ende auch eine Schattenseite der GEW-Geschichte aufgearbeitet werden soll. So ist die Lehrergewerkschaft im Besitz des Nachbarhauses Rothenbaumchaussee 19, intern „Ro 19“ genannt, das sie an die Stadt vermietet hat. Dieses Haus hatte bis 1935 einer jüdischen Familie gehört. Es wurde dann von der „Gesellschaft“, die im Zuge der Gleichschaltung in den „Nationalsozialistischen Lehrerbund“ eingegliedert worden war, zu einem geringen Preis erworben.

„Wir haben schon vor einiger Zeit die Erforschung der Umstände dieses Kaufs in Auftrag gegeben“, erklärt Bullan. Die historischen Fakten sollen am 9. November von Bernhard Nette und Sielke Salomon auf einer Diskussionsveranstaltung im Curiohaus (Raum A, 18.30 Uhr) dargelegt werden. Dabei geht es um die Frage, ob es sich um einen Zwangsverkauf handelte, weil die Familie gefährdet war. „Juristisch“ sei die Sache wohl nicht anfechtbar, sagt Bullan. „Wir wollen aber klären, ob das moralisch in Ordnung war, und wenn nein, welche Konsequenzen wir daraus ziehen.“ Nachfahren der Familie gebe es seines Wissens nicht mehr.

Mit der 200-jährigen Geschichte befasst sich auch die 220 Seiten dicke Festschrift, eine Sonderausgabe der Hamburger Lehrerzeit, die am Mittwoch an alle rund 10.000 Mitglieder verschickt werden soll. Darin haben auch ehemalige Hamburger SchulsenatorInnen wie Rosemarie Raab, Günther Apel und Joist Grolle ihre Erinnerungen an die eher unbequeme Gewerkschaft verewigt. Und die amtierende Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) höchstselbst wird beim offiziellen Festakt am 4. November ein Grußwort sprechen.

Das ist allein schon deshalb bemerkenswert, weil es seit gut einem Jahr keinerlei Gesprächskontakt zwischen GEW und Behördenleitung gab. „Wir sind“, klagte Bullan nach seiner Wahl zum Hamburger GEW-Chef im Mai in einem taz-Interview, „für die Behörde kein Gesprächspartner.“