Feuerbergstraße in schlechter Verfassung

Bundesverfassungsgericht soll über Geschlossenes Heim befinden. Bergedorfer Familienrichter ruft Karlsruhe an. Ex-Heimleiter Wolfgang Lerche sah die Feuerbergstraße nur als „Interimslösung“ an und plante einen Neubau ohne Zaun. Sein Klagebrief an den Staatsrat kostete ihn den Job

Jetzt muss sich sogar das Bundesverfassungsgericht mit dem Geschlossenen Heim für straffällige Jugendliche in der Feuerbergstraße beschäftigen. Ein Bergedorfer Familienrichter hat Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Einrichtung angemeldet und die vom Familien-Interventionsteam (FIT) der Sozialbehörde beantragte Einweisung eines 14-Jährigen abgelehnt.

Nach Ansicht des Gerichts könnte das Geschlossene Heim gegen Artikel 2 des Grundgesetzes verstoßen, der „die Freiheit der Person“ für „unverletzlich“ erklärt. Deshalb setzte es die Entscheidung über den Antrag des FIT aus und legte die Frage dem höchsten deutschen Gericht in Karlsruhe zur Entscheidung vor. Bis das sich äußert, können Jahre vergehen.

Die grüne Abgeordnete Christiane Blömeke freute sich schon gestern auf die grundrechtliche Prüfung: „Dieser Schritt war längst überfällig.“ Zahlreiche Experten hatten vor der Einrichtung des Heimes juristische Zweifel an den Rechtsgrundlagen geäußert, rief Blömeke in Erinnerung. Aber statt diese zu prüfen, „hält der Senat lieber Kurs auf Rechtsbruch“. Im Auftrag von Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) erarbeitet auch der Jugendrechts-Experte Christian Bernzen ein Rechtsgutachten zum Geschlossenen Heim.

Derweil vernahm der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) der Bürgerschaft erstmals den früheren Leiter der Feuerbergstraße, Wolfgang Lerche. Es habe in dem von ihm geleiteten Landesbetrieb Erziehung und Berufsbildung (LEB) „von Anfang an ein Unbehagen“ gegenüber dem Standort gegeben, sagte Lerche am Freitagabend. Wäre es nach ihm gegangen, stünde längst ein zaunloser Neubau am Rande der Stadt.

Doch der Chef des städtischen Trägers, der vom Schwarz-Schill-Senat 2002 angewiesen worden war, das Geschlossene Heim zu betreiben, verlor am 27. April 2003 seinen Job. Es gab Streit zwischen Lerche und Sozialbehördenstaatsrat Klaus Meister über die Frage, welche Konsequenzen aus den sechs Entweichungen der ersten drei Monate des Heimbetriebs zu ziehen waren. Lerche hatte hohe Zäune und den Einsatz eines Sicherheitsdienstes abgelehnt. Während Meister vor dem PUA erklärt hatte, er habe Lerche von seiner Aufgabe entbunden, erklärte dieser nun, dies sei auf seinen Wunsch hin geschehen: „Ich sah meine Glaubwürdigkeit bei den Mitarbeitern gefährdet.“

In dem Atriumbau mit einem kleinen Innenhof als einziger Freifläche gab es „für mich einen wahrnehmbaren Platzmangel“, sagte Lerche, „trotz der geringen Belegung“. Da der Senat Geld für einen Neubau eingeplant hatte, habe der LEB nach einem Grundstück gesucht und sogar einen Investor gefunden. Vorbild für den Bau, für den es schon Zeichnungen gab und der binnen eines Jahres hätte fertig werden können, sollte das Heim Rummelsberg in Bayern sein, welches sich durch eine „deeskalierende Architektur“ ohne Zäune auszeichne.

Doch im März 2003 erfuhr Lerche, dass die Neubaupläne gestorben waren und aus der „Interimslösung“ Feuerbergstraße eine Dauereinrichtung würde. Am 27. März 2003 bat er per Mail den Staatsrat um ein Gespräch, weil der „Druck so groß“ geworden sei. „Es gab eine gefährliche Mischung für die Mitarbeiter und die Jugendlichen, wo Selbstverletzungen stattfanden“, berichtete er im PUA. In seiner Mail habe er auch vor der „kontraproduktiven Wirkung“ technischer Maßnahmen wie hoher Zäune gewarnt.

Doch das Gespräch mit dem Staatsrat sei „kürzer als zehn Minuten“ und „vergleichsweise unerfreulich“ gewesen, erinnert sich Lerche. Meister habe ihn aufgefordert, das Heim „entweichungssicher“ zu machen und anderenfalls mit personellen Konsequenzen gedroht.

Die folgten nur einen Monat später. Kaija Kutter /

Sven-Michael Veit