heute in hamburg
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"Attraktivität sinkt"

Zukunftsvision Philosoph Florian Rötzer über Smart Cities, die sich selbst zu Tode kontrollieren

Florian Rötzer

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61, Philosoph, Autor und Publizist mit Schwerpunkt Medientheorie, ist Chef des Online-Magazins „Telepolis“.

taz: Herr Rötzer, was sind Smart Cities?

Florian Rötzer: Das sind Städte, die weitgehend mit technischen Systemen ausgestattet sind, um Funktionen steuern zu können: Verkehrs- und Heizsysteme, Wasserversorgung und so weiter.

Manche definieren Smart Cities als basisdemokratische, transparente, nachhaltige Städte. Gehört das nicht dazu?

Doch, denn man denkt, dass man so zum Beispiel den Ressourcenverbrauch besser steuern, das Verkehrsaufkommen senken kann. Aber letztlich ist das eher ein Verkaufsargument.

Inwiefern?

Eigentlich bedeuten Smart Cities, dass hier ein Riesen-Investitionsvolumen für die Industrie erzeugt wird. Da der Druck aber groß ist, versucht man, diese Technik durch ökologische Argumente durchzusetzen. Dabei ist sie im Wesentlichen auf Überwachung und Kontrolle ausgerichtet.

Sie sprechen heute über „Smart Cities und das Ende der Renaissance der Städte“. Wie meinen Sie das?

Derzeit spricht man von einer Anziehungskraft der Städte, die wachsen und gerade für junge Menschen attraktiv werden. Schon seit Ende der 1980er-Jahre ziehen Menschen nicht mehr in die Vororte, sondern zurück in die Innenstädte. Durch die Vernetzung, auf die auch die Smart Cities setzen, wird diese räumliche Verdichtung aber unnötiger, sodass die Städte mittelfristig an Bedeutung verlieren werden.

Haben Sie ein Beispiel?

Denken Sie an das Online-Shopping, an die Vernetzung von Behörden und Industrie und die Einführung autonomer Fahrzeuge, die übrigens massig Arbeitsplätze vernichten wird. Oder an die Virtualisierung der Unis. Sie stehen stark unter ökonomischem Druck und versuchen schon jetzt, Kurse global anzubieten. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, werden die Städte irgendwann auch keine Studenten mehr anziehen.

Die dann auf dem Land wohnen bleiben und die Peripherie aufwerten.

Das könnte die Folge sein, zumal viele die städtischen Mieten schon jetzt nicht mehr bezahlen können. Außerdem werden die Smart Cities durch ihre Überwachungs- und Kontrollmechanismen vielleicht so unangenehm, dass die Leute versuchen, dem zu entkommen, indem sie aufs Land ziehen.

Interview: Petra Schellen

Vortrag „Smart Cities und das Ende der Renaissance der Städte“: 19 Uhr, Büro Stadtkuratorin, Hafenstr. 96, Eintritt frei