Verdrossene Teufel

In einem schwachen Spiel gegen einen schwachen Gegner kommt der 1. FC Kaiserslautern über ein 2:2 nicht hinaus

KAISERSLAUTERN taz ■ Als der abgefälschte Ball sich schließlich hinter Jörg Butt ins Netz gesenkt hatte, sprintete Berkant Göktan los, direkt in die Arme seines Trainers Michael Henke, der den Offensivspieler erst sechs Minuten zuvor eingewechselt hatte. Das Tor des 24 Jahre alten Türken zum glücklichen 2:2-Ausgleich, das dem 1. FC Kaiserslautern in der 90. Minute wenigstens noch einen Punkt gegen Bayer Leverkusen gerettet hatte, war eine von einigen eigentlich erbaulichen Geschichten, die dieser letzte Samstag im Oktober für den FCK bereithielt.

Es hätte groß die Geschichte eines gefallenen Talents erzählt werden können, das mit 17 Jahren beim FC Bayern in der Champions-League reüssierte und nun, nach einer Odyssee und zuletzt vier Jahren in der Türkei, beim 1. FC Kaiserlautern seine letzte Chance im Profifußball sucht. Sein Tor in allerletzter Sekunde empfand Göktan als „Befreiung“ und „Aufbruch“ zugleich. Oder die Geschichte des Fabian Schönheim, der nicht nur erst 18 Jahre alt ist, sondern auch so aussieht. Seit der C-Jugend spielt der angehende Abiturient beim FCK, am Samstag gab er in der Abwehr ein gelungenes Debüt in der Startelf der ersten Mannschaft, auch wenn er den Ball in der 39. Minute nach einem Schuss des starken Tranquillo Barnetta zum 1:1-Ausgleich abgefälscht hatte. Und dann ist da noch Marco Engelhardt, der den FCK in der 32. Minute in Führung schoss. Beim letzten Heimspiel gegen Dortmund war der Thüringer noch gnadenlos ausgepfiffen worden, diesmal aber bewies er Stärke und lieferte seine beste Saisonleistung ab. Mehr als eine Nachricht ist auch die Geschichte von Christian Nerlinger. Nach anderthalb Jahren am Rande der Invalidität kämpfte sich der fast vergessene 32-Jährige wieder auf Bundesliganiveau heran und zum ersten Mal in dieser Saison in die Starformation in der Liga. Und es gibt die Geschichte von Thomas Ernst. Der 37 Jahre alte Torwart stand zum ersten Mal in dieser Saison im Tor, zu Saisonbeginn hatte Henke dem 10 Jahre jüngeren Jürgen Macho den Vorzug gegeben. Nun aber, im Abstiegskampf, wird Ernst wieder gebraucht.

Doch all diese schönen Geschichten verblassen hinter der übergeordneten Erzählung, die der FCK in dieser Saison schreibt. Dieses schnöde Remis im Heimspiel gegen einen schwachen Gegner war das achte Spiel hintereinander ohne Sieg. Zum ersten Mal findet sich der FCK damit auf einem Abstiegsplatz wieder. Der Klub Fritz Walters ist am Tiefpunkt angelangt. Es war für viele in der Pfalz traurig mit anzusehen, wie der FCK sich zuletzt selbst demontierte: klägliche Leistungen, der Rauswurf von Routinier Sforza, der intern die Ablösung des Trainers gefordert hatte, und schließlich die verbale Entgleisung von Wessi-Henke im Pokal in Erfurt. Am Samstag kamen nur noch rund 27.000 Menschen auf den „Betze“. „Es ist viel Verdruss da“, kommentierte der FCK-Vorstandsvorsitzende Rene C. Jäggi den Zuschauerschwund. 48.500 Zuschauern wird das zur WM-Arena aufgemotzte Stadion künftig Platz bieten. „Wir werden Probleme haben, es zu füllen“, unkt Jäggi, der noch keinen Gedanken an einen möglichen Abstieg verschwendet – und bisher auch nicht an eine Ablösung von Henke.

Der angeschlagene Trainer vertrat die Meinung exklusiv, dass seine Mannschaft nach Voronins 1:2 in der 71. Minute den Ausgleich „erzwingen“ wollte. Eher zutreffend ist da die Analyse von Leverkusens Sportchef Rudi Völler, der einen FCK gesehen hatte, „der sich da doch schon aufgegeben hatte“. Leverkusen blieb auch unter dem neuen Trainer Michael Skibbe zum fünften Mal hintereinander ohne Sieg und ist weit entfernt vom angestrebten vorderen Tabellendrittel gestrandet.

Von der bei Bayer verpönten Graumäusigkeit träumt man derweil in der Pfalz, verheißt diese doch immerhin Stabilität. Ein Zustand, den der Verein und die Mannschaft seit Jahren vermissen lassen. Dass sich die kleinen, persönlichen Erfolgserlebnisse einzelner Spieler zu einer am Ende für den FCK erfolgreichen Geschichte im „Langstreckenlauf“ (Jäggi) gegen den Abstieg weben, ist die vage Hoffnung von Henke und Jäggi. Eine Hoffnung, die in der Pfalz immer weniger Fans teilen. TOBIAS SCHÄCHTER