Eliten feiern Fackelträger

betr.: „Ein ästhetisches Ärgernis“, taz vom 27. 10. 05

Es muss offensichtlich ein großer Tag für einige gewesen sein. Endlich wieder Fackelträger in Uniform vor dem Reichstag, gefeiert von den paar tausend „Eliten“, die sich immer wieder treffen. Und im Zweifelsfall waren auch solche mit darunter, die freudig mit feuchten Augen den Tabubruch nach langen Jahren des Wartens miterlebten. Das Volk blieb und bleibt natürlich ausgesperrt, sonst würde es wahrscheinlich seine Meinung kundtun.

Man war auf dem mobilen Kasernenhof vor dem deutschen Parlament unter sich mit seinen verstaubten Ritualen. Als die Soldaten den Helm zum Gebet abnahmen, lief mir ein Schauer über den Rücken; gerade weil dieses Ritual früher dazu diente, dass sich die Soldaten auf den Tod vorbereiten. Ja, der Staat feiert sich, seine Vorhaben und seine Institutionen durch Rituale und Symbolik. Das muss man wissen, um dieses Schauspiel vor dem Reichstag zu bewerten. Und darum mach ich mir jetzt richtig Sorgen.

MICHAEL GRUNST, Berlin

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