Politiker wollen bestrafen

ORGANSKANDAL Manipulierende Ärzte dürfen nicht ungeschoren davon-kommen, fordern Politiker. Sie prüfen eine Änderung der Gesetze

„Kriminelle Ärzte lassen sich nicht von Paragrafen abhalten“

ÄRZTEPRÄSIDENT MONTGOMERY

VON HEIKE HAARHOFF

BERLIN taz | Der Konsens ist parteiübergreifend: Ärzte, die die Krankenakten ihrer Patienten gefälscht haben, um diesen schneller ein Spenderorgan zu verschaffen, dürfen nicht straffrei davonkommen. Das bekräftigten Regierungs- wie Oppositionspolitiker am Freitag in Berlin. Sie kündigten an, das Strafrecht notfalls entsprechend zu ändern. Denn die Manipulationen führten dazu, dass Transplantationspatienten andernorts um Lebenschancen betrogen würden.

Zuvor hatten die im Organskandal ermittelnden Staatsanwaltschaften München und Regensburg in der taz erklärt, aufgrund einer „Strafbarkeitslücke“ die manipulierenden Ärzte strafrechtlich vermutlich nicht belangen zu können.

Dies will der Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) nicht hinnehmen: „Das Ministerium wird noch im Januar ein rechtstatsächliches Gutachten in Auftrag geben, um zu klären, ob und welche Änderungen in den bestehenden Straf- und Bußgeldnormen sowie den berufsrechtlichen Regelungen der Bundesärzteordnung und der Länder notwendig sind, um in der Vergangenheit festgestellte Verstöße entsprechend sanktionieren zu können“, sagte ein Sprecher.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Jens Spahn (CDU), sieht die Politik in der Pflicht, sollten die Staatsanwaltschaften die Verfahren einstellen: „Eine Warteliste für Organe zu manipulieren, kann für Menschen, die dringend auf ein Organ warten, das Todesurteil sein. Das wäre dann eine Form von Totschlag oder mindestens fahrlässiger Tötung.“

Dem grünen Abgeordneten Harald Terpe reicht das nicht: „Wir müssen das ganze System der Organspende so reformieren, dass solche Taten zukünftig möglichst verhindert werden.“ Diese Bereitschaft erkenne er bei der Bundesregierung nicht. Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Karl Lauterbach, forderte erneut ein Antikorruptionsgesetz: „Der Bürger muss sich darauf verlassen können, dass Korruptionsvorgänge mit tödlichem Ausgang hart und durch das Strafrecht bestraft werden.“

Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, widersprach: Zwar sei es „ein ausgesprochen negatives Signal, wenn man die beschuldigten Ärzte nicht nach dem Strafrecht bestrafen könnte“, sagte er der taz. Aber: „Die generalpräventive Wirkung von Strafvorschriften wage ich zu bezweifeln.“ Montgomery: „Ärzte, die sich kriminell verhalten wollen, lassen sich doch nicht von Paragrafen abhalten.“ Gebraucht werde eine bessere Prävention. Das neue Mehr-Augen-Prinzip bei der Übermittlung von Patientendaten trage dazu bei. Denkbar seien zudem standesrechtliche Strafen: „Wirkungsvoll wäre ein konsequentes und zügiges Einschränken der Berufsausübung für Ärzte, die sich dieses Teils der Berufsausübung nicht würdig erwiesen haben.“ So könnte Ärzten „bis zur Klärung der Vorwürfe“ die Arbeit im Transplantationszentrum untersagt werden. Helfen würden auch gern die Ärztekammern – jedoch: „Das Problem liegt darin, dass Ärztekammern keine polizeilichen Ermittlungskompetenzen haben. Wir haben keine Möglichkeit, eine Akte zu beschlagnahmen oder uns Unterlagen zu beschaffen, sondern sind darauf angewiesen, dass wir informiert werden, insbesondere auch von der Staatsanwaltschaft.“