LeserInnenbriefe zu verschiedenen Themen

Ich will keine Bundeswehrwerbung!

betr.: Bundeswehranzeige in der taz vom 6. 11. 15

Eigentlich wollte ich Hannes Koch für seinen Kommentar „Diktatoren unter uns“ danken, der mir voll aus dem Herzen spricht. Vorher wollte ich noch den Artikel „Mexiko-Deal kommt vor Gericht“ lesen – da entdecke ich exakt auf der zugehörigen Rückseite eine Werbung, die mich schon an der U-Bahn-Haltestelle genervt hat: „Bei uns geht es ums Weiterkommen. Nicht nur ums Stillstehen.“ Hübsches Wortspiel, gerade so wie „Krisenherde kann man nicht löschen mit Teetrinken und Abwarten“.

Hallo taz, geht’s noch? „Unsensibel“ wäre mein mildester Kommentar zu diesem Kollateralschaden. Ist die taz finanziell so gefährdet, dass sie auf den Anzeigenkunden Bundeswehr angewiesen ist? Bitte antwortet jetzt nicht, dass Redaktion und Vertriebsabteilung streng voneinander getrennt und unabhängig seien. Solche formalen Rechtfertigungen kenne ich von der bürgerlichen, angeblich „unabhängigen“ Presse. Das bekam ich zu hören, nachdem in der Stuttgarter Zeitung kurz vor der „Volksabstimmung“ zu Stuttgart 21 eine Anzeigenkampagne der Unternehmerverbände erschienen war. Bisher habe ich es in der taz wohlwollend wahrgenommen, dass kaum Werbung erscheint.

ICH WILL IN DER TAZ KEINE BUNDESWEHR-WERBUNG ERTRAGEN MÜSSEN. Zornige Grüße, MARLIES BEITZ, Stuttgart

Reklame für Ausbildung zum Töten

betr.: Bundeswehranzeige in der taz vom 6. 11. 15

Liebe taz-Redaktion, als ich die heutige Ausgabe der taz las, traute ich meinen Augen kaum, als ich auf einmal eine Anzeige der Bundeswehr dort sah. Ich dachte, ich wäre auf der Wahrheit-Seite angelangt, aber als ich den darunter stehenden Slogan im Internet überprüfte, wurde mir klar, dass es keine Ironie gewesen ist.

Habt ihr es wirklich nötig, für die Ausbildung zum Töten zu werben? Ich dachte immer, die taz sei nicht unmittelbar vom Aussterben bedroht, und wenn doch, dann stellt euch doch lieber mit Spendendosen vor euren Neubau und schnorrt die Kohle zusammen, anstatt der Bundeswehr (die längst abgeschafft gehört!) eine Plattform zu bieten. Gab es in der Redaktion keine Gegenstimmen? Waren alle friedliebenden und Tucholsky lesenden MitarbeiterInnen im Urlaub? Als die Bundeswehr damals in der Bravo nach jungen Rekruten Ausschau hielt, war euch dies einen Artikel wert. Aber im eigenen Wohnzimmer wird offenbar nicht so gründlich ausgekehrt.

Verärgerte Grüße, STEPHAN BEHRENDT, Witzenhausen

All Hallows’Even

betr.: „Im Zeichen des großen Kürbisses“, taz vom 31. 10. 15

Sehr originell, das Eine-Welt-Plädoyer von Dirk Knipphals für den Kürbis-, Grusel- und Verkleidungswahn. Blöd nur, dass Hallowe’en keineswegs eine wurzellose „Mode“ ist, sondern auf das wohl älteste Kalenderfest in Mitteleuropa zurückgeht, das Neujahrsfest unserer (in Süddeutschland) altkeltischen Vorfahren. Wir kennen sogar dessen gallischen Namen: Samonios, so auch der Name des Novembers. Das Fest markierte zugleich den Beginn des Winterhalbjahrs, mit besonderer Betonung des Totengedenkens. Dieses Gedenken hat die Kirche übernommen und ihr Allerheiligen auf den heidnischen 1. November gestülpt (anno 835).

Dass der vorhergehende Abend den Namen gibt, kommt von der keltischen Eigenart, den Tag mit der Nacht davor zu beginnen: im irischen Fall All Hallows’Even = aller heiligen Abend. So viel zur ignoranten Trennung Hallo-ween statt korrekt: Hallow-e’en. Der Totentag ist im irischen Mittelalter zum Geisterspuk degeneriert. FRED GRUPP, Mössingen