„Es wäre toll, wenn eine New-York-Reise für alle SchülerInnen zum Standard würde“

Das bleibt von der Woche Ein Bauzaun schützt jetzt die Mauerreste an der East Side Gallery, der Senat möchte das Tempelhofer Feld mit Traglufthallen für Flüchtlinge bebauen, der Innensenator will Verbrechen mit Videokameras bekämpfen, und 15 SchülerInnen jetten auf Kosten des Steuerzahlers nach New York

Berliner unter Beobachtung

Verbrechen bekämpfen

Wer die sozialen Codes nicht kennt oder einhält, fällt auf

Man kann es natürlich so machen wie in Peking. Seit dem 1. Oktober ist dort jede Straße videoüberwacht. Keine Tat in der Öffentlichkeit, die unbeobachtet bliebe – theoretisch. Denn die Frage, wer das ganze Videomaterial auswerten soll, ist noch nicht beantwortet.

Aber darauf kommt es auch nicht unbedingt an. Und das weiß Innensenator Frank Henkel, der – nachdem im Fall Mohamed eine illegal angebrachte Überwachungskamera zur Aufklärung beigetragen hat – nach noch mehr Videoüberwachung ruft. Denn schon das reine Anbringen von Kameras wirkt.

Und zwar in dreierlei Hinsicht. Erstens: Verlagerung. Drogenhandel, Raubüberfall, alles, was nicht an einen Ort gebunden ist, passiert dann eben eine Ecke weiter. Also noch mehr Kameras? Der zweite Effekt: Wer die sozialen Codes nicht kennt oder einhält, fällt auf. Zum Beispiel die beiden Herren mit Bart, die da so unplausibel herumstehen, die werden doch nicht ...? Nein, vermutlich nicht. Als verdächtig gelten sie trotzdem.

Bleibt die gefühlte Sicherheit. Die Technische Universität hat das vor einigen Jahren mit mehreren Verkehrsbetrieben untersucht. Das Ergebnis: Personal, Fahrgäste, Handy, Notrufsäule wirken sich positiver auf die empfundene Sicherheit aus als Kameras. Die haben, drittens, eher den gegenteiligen Effekt: Passanten schauen weg. Hängt doch eine Kamera da.

Für die Stadt, die Überwachung, die Verbrechensbekämpfung heißt das: Dass in einem Fall zufällig das Ergebnis richtig war, bedeutet nicht, dass es auch der Weg dorthin ist. Svenja Bergt

Mauer braucht Zaun

An der East Side Gallery

Die „psychologische Barriere“ soll, laut Bezirk, für „Respektabstand“ sorgen

Es gibt viele Arten, eine Mauer zu beschädigen. Mit Filzstift, Sprühdose oder Latex-Farbe. Und besonders Hartnäckige schlagen sich ein Stückchen aus ihr heraus. Die Hemmschwelle, dies an der East Side Gallery zu tun, ist anscheinend nicht besonders hoch. Seit Mitte Oktober säubert der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg die Graffiti dort und bessert Beschädigungen aus. Das kostet ihn 230.000 Euro. Die BesucherInnen aber machen auf den frisch gereinigten Stellen einfach weiter.

Deshalb schützt nun seit Mittwoch ein zwei Meter hoher Bauzaun die Mauerreste. Demnächst möchte der Bezirk sogar dauerhaft eine etwa 80 Zentimeter hohe Absperrung aufbauen und auf Schildern darauf hinweisen, dass das Beschreiben und Zerkratzen des Denkmals strafbar ist. Eine, laut Bezirk, „psychologische Barriere“ sei das, die für „Respektabstand“ sorgen soll – Kostenpunkt rund 150.000 Euro.

Hatten sich vor 25 Jahren schon KünstlerInnen die Mauerreste für ihre Graffiti angeeignet, führen die BerlinbesucherInnen dies nun weiter. Die TouristInnen haben ihren eigenen Umgang mit dem Denkmal gefunden, sie verschandeln es nicht, sondern gestalten es mit. Die Versuche des Bezirks, jetzt hier die Mauer zu schützen, erscheinen verzweifelt und auch etwas absurd.

Der Bezirk indes verkündete die neuen Pläne um den Mauerzaun am vergangenen Donnerstag und hatte explizit internatio­nale Medienvertreter dazu eingeladen. Denn vielleicht ließe sich, so die Hoffnung, das „unglaubliche Ausmaß an Vandalismus“ so etwas eindämmen. Ob sich die BerlinbesucherInnen allerdings davon beeindrucken lassen? Es wird sich zeigen. Bis dahin müssen sie sich weiterhin strecken und recken, um Fotos von einer Mauer ohne Zaun zu machen. Uta Schleiermacher

Müllers billige Retour-kutsche

Flüchtlinge auf dem Feld

Bisher versuchte der Senat,die Flüchtlinge möglichst dezentral unterzubringen

Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, wann der Vorstoß kommen würde. Am Donnerstag wurde nun bekannt, dass der Senat gerne das Tempelhofer Feld bebauen würde, für Flüchtlinge natürlich. Und auch nicht so richtig bebauen, so Vize­senatssprecher Bernhard Schodrowski: Vielmehr sollen Traglufthallen aufgestellt werden.

Das wirkt nur auf den ersten Blick sinnvoll. Selbst für die Hallen müsste jenes Gesetz geändert werden, das eine Bebauung des einstigen Flugfeldes komplett verbietet und das von den Berlinern erst 2014 in einem Volksentscheid beschlossen wurde. Der große Verlierer damals: Stadtentwicklungs­senator Michael Müller (SPD), der sich für eine Wohnbebauung am Feldrand eingesetzt hatte.

Müller ist inzwischen Regierender Bürgermeister, doch die damalige Niederlage schmerzt immer noch – sie dürfte Grund sein für diese billige, populistische Retourkutsche. Denn es geht offensichtlich nicht darum, Flüchtlinge einigermaßen angemessen unterzubringen. Das wird deutlich, wenn man die bisherige Flüchtlingspolitik des Senats betrachtet: Möglichst wenige Menschen sollen an einem Ort untergebracht werden. Das ist klug: Es fördert die Möglichkeiten zur Integration und minimiert Konfliktrisiken.

Wird der Tempelhof-Vorschlag umgesetzt, müssen zusätzlich zu den rund 3.000 Flüchtlingen, die ohne ausreichende sanitäre Anlagen in drei Hangars des Ex-Flughafens unterkommen, noch mal viele hundert, wenn nicht tausend Menschen auf dem Tempelhof-Gelände leben. Eine Ballung, die Probleme vieler Art nach sich ziehen dürfte. Dass Müller überhaupt an so was denkt, stimmt bedenklich. Bert Schulz

Klassenfahrt nicht ohne Kassenwart

Schulreise nach New York

Man kann auch ohne New-York-Reise sehr gut Mitglied dieser Gesellschaft sein

Die Empörung war groß, als die Öffentlichkeit Mitte der Woche Wind bekam von „Deutschlands teuerster Klassenfahrt“ (Bild): 15 SchülerInnen des Kreuzberger Robert-Koch-Gymnasiums waren im Oktober nach New York gejettet. Pro Person kostete das rund 2.100 Euro – also insgesamt über 30.000 Euro. Die zahlte der Staat, weil alle Jugendlichen Anspruch auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket hatten. „Klasse Abzocke“ titelte der Kurier. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) ermahnte die Schulen, die Ziele ihrer Klassenfahrten verantwortungsvoll auszusuchen. Andere Bildungspolitiker forderten eine Obergrenze für die Kosten von Klassenfahrten.

Und es ist ja tatsächlich nicht vermittelbar, dass SteuerzahlerInnen – dazu gehören nicht nur reiche Leute – für teure Schulreisen aufkommen sollen, die sie sich selbst schwerlich leisten könnten. Das Bildungs- und Teilhabepaket zielt darauf ab, so­ziale Ausgrenzung von Jugendlichen aus armen Familien zu verhindern. So viel Spaß eine solche Fahrt auch macht: Man kann sehr gut Mitglied dieser Gesellschaft sein, ohne New York besucht zu haben.

Trotzdem gab es auch Kritik von links: Sebastian Schlüsselburg von der Linkspartei in Lichtenberg monierte eine „von oben geführte Neiddebatte“. Statt solche Unternehmungen zu verbieten, müsse man sie billiger planen. Außerdem forderte er einen Fonds, der auch anderen, die nicht staatlich unterstützt werden und trotzdem zu wenig Geld haben, das Mitfahren ermöglicht.

Keine Frage: Es wäre toll, wenn die Steuereinnahmen derart sprudelten, dass eine New-York-Reise für alle SchülerInnen zum Standard würde. Dem ist nicht so. Zurzeit könnte ­Berlin das Geld anderswo dringender gebrauchen – zum Beispiel bei der Sanierung der maroden Schulen.

Antje Lang-Lendorff