Ende der Bauchladenschule

„Bündnis für Musikunterricht“ plant Aktionstag an 80 Schulen, um für Erhalt des Faches Musik zu werben. Oberstufenreform würde es gefährden

Nicht immer nur jammern – nach diesem Motto plant das Hamburger „Bündnis für Musikunterricht“ am Donnerstag eine ungewöhnliche Aktion. An über 80 Schulen sollen Konzerte und Choraufführungen stattfinden, um auf die Bedeutung des Musikunterrichts hinzuweisen. „Wir wollen zeigen, dass die Schulmusik etwas zu verteidigen hat“, erklärte gestern Jan Rainer Bruns von der Versammlung der Hamburger Musiklehrer.

Zum Klagen hat das 2002 gegründete Musikbündnis allerdings schon viele Gründe gehabt. Aufgeschreckt waren die Initiatoren seinerzeit von einer Studie des „Verbands deutscher Schulmusiker“ (VdS), wonach 80 Prozent des Musikunterrichts in der Grundschule ausfallen oder nicht von Fachlehrern unterrichtet werden. Dies habe sich bis heute nicht verbessert, kritisierte Uve Urban vom VdS. Wie er zudem beklagte, sei Bildung seit der Pisa-Studie allerorten „normiert, standardisiert und funktionalisiert“ und Musik allenfalls als „Dekor“ angesehen.

Ein Trend, der sich zu verstärken droht, wie Udo Petersen vom „Arbeitskreis Schulmusik“ ergänzte. Plane doch die Bildungsbehörde eine Reform der Oberstufe nach baden-württembergischen Vorbild, nach der traditionelle Hauptfächer wie Mathe, Deutsch und eine Fremdsprache fünfstündig die Woche gegeben werden sollen. Die „alte Bauchladenschule“, die von Sport bis Musik alle Fächer anbietet, müsse neu gepriesener „Profilorientierung“ weichen. „Das Fach Musik“, so ist Petersen sicher, werde an „kaum einer Schule“ darunter sein. Doch ohne diese Leistungskurse gebe es keinen Nachwuchs an Musikstudenten mehr.

Ohnehin hatte bereits die erste Sparrunde von Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) im August 2004 zur Folge, dass auch die Hürde für die Bildung eines Musikleistungskurses auf mindestens 20,5 Schüler angehoben wurde. „Es gibt ganze Stadtteile, in denen kein einziger Kurs mehr zustande kommt“, mahnte Urban.

Eine Umfrage unter 24 Hamburger Gymnasien im vorigen Schuljahr hatte zudem ergeben, dass infolge des neuen Lehrerarbeitszeitmodells die Hälfte aller Schulchöre und -orchester wegfielen, weil den Lehrern ihr Engagement für diese Nachmittagsangebote nicht ausreichend aufs Zeitbudget angerechnet wurde. Schulen, die sich Chöre leisten wollen, müssen Stunden an anderer Stelle sparen.

Auch Behördenpläne für die Hauptschulen machen dem Musikbündnis Sorgen. So solle es dort ein neues Mischfach „Gestalten, Bewegen, Musik“ geben, bei dem ebenfalls „Musik hintenüber zu fallen drohe“.

„Musik muss in allen Schulstufen angeboten werden“, forderte Landesmusikrat-Präsident Wolfgang Sobirey und verwies auf Studien, wonach im Musizieren ein „Schlüssel“ für erfolgreiches Lernen liege. Es sei eine „Luftblase“, wenn Hamburg eine Philharmonie mit 2.500 Plätzen baue, ohne in den Schulen dafür zu sorgen, dass auch Publikum kommt. Kaija Kutter