DAHINGESTELLT, OB ES AN NIENDORF-NORD LIEGT. FRAU JANSEN JEDENFALLS BEGEGNET DER WELT MIT MISSTRAUEN
: „Draußen stinkt’s!“

Foto: privat

AM RAND

Klaus Irler

Frau Jansen wohnt im selben Haus wie ich, draußen in Niendorf-Nord, links vom Flughafen und direkt unterhalb von Schleswig-Holstein, da, wo sich Hamburg eher nach St. Peter Ording anfühlt als nach Kreuzberg. Trotz der geordneten Verhältnisse in Niendorf-Nord begegnet die alleinstehende Dame der Welt grundsätzlich mit Misstrauen: Überall vermutet sie faule Handwerker, randalierende Jugendliche und betrügerische Verkäufer. Kürzlich brachte Frau Jansen ihre Weltsicht auf den Punkt: Im Treppenhaus sagte sie zu mir den schönen Satz: „Draußen stinkt’s!“

Am nächsten Morgen schien die Sonne von einem wolkenlosen Himmel. Wie ich die Straße entlang gehe, denke ich: Hier riecht’s komisch. Kein Gestank, etwas anderes. Ich brauchte einen Moment, bis ich den Geruch zuordnen konnte. Es war Glasreiniger. Wahrscheinlich von den Windschutzscheiben der Autos im Berufsverkehr. Oder von den Fenstern der Niendorfer. Oder beides.

Da, wo ich früher gewohnt habe, in Eimsbüttel, roch es nie nach Glasreiniger. Manchmal roch es nach Rauch, weil die Leute mittlerweile zum Rauchen immer raus gehen. Außerdem roch es in meiner Straße jeden Samstag nach frischen Berlinern, die der türkische Bäcker in einem mobilen Backwägelchen vor seinem Laden buk. Der Bäcker wollte damit den Passanten Appetit machen, aber: „Da gehen die Abgase von der Straße direkt mit rein“, würde Frau Jansen sagen: „Der will uns vergiften.“

Vermutlich war Frau Jansen noch nie auf der Reeperbahn. Dort riecht es an einem Samstag Morgen säuerlich, eine Mischung aus Bier, Speiseresten und Pisse. Es ist der Geruch, den am zweiten Tag eines Rockfestivals die Campingplätze annehmen. Ich habe einen Bekannten, der im Musikgeschäft arbeitet, sein Büro in einer der Seitenstraßen der Reeperbahn hat –und darüber gar nicht glücklich ist. „Die Reeperbahn“, sagte er einmal zu mir und war da ganz bei Frau Jansen, „die Reeperbahn stinkt.“

Anders ist das mit den Fans des FC St. Pauli. Ihre Totenkopf-Pullis kommen überraschend oft direkt aus der Waschmaschine. Man kann das riechen, wenn man mit ihnen in der Einlass-Schlange vor dem Stadion steht. Es ist derselbe Geruch wie bei den Fans des Hamburger SV, nur dass die noch intensiver nach Waschmittel riechen. Vermutlich liegt das daran, dass die HSV-Fans zu ihren Spielen immer in vollen U-Bahnen und Bussen unterwegs sind. Da riecht man sie zwangsläufig besser.

Was man übrigens in Niendorf-Nord nicht riecht, das ist der Flughafen. Es gibt Ecken in Niendorf, wo das nicht so ist, da riecht es dann nach verbranntem Gummi oder Kerosin. Würde Frau Jansen dort wohnen, dann wäre ihr Satz von der stinkenden Welt nicht poetisch, sondern wahr. Wir hätten ein echtes Problem. Und könnten nicht, wie Frau Jansen, sogleich die Hausverwaltung anrufen.