Blauer Himmel am Scheideweg

Quo vadis, Wetter – hundertprozentige Planungssicherheit kann es nicht geben

Allzu lange haben Länder wie Italien oder die Saharavölker dieses Monopol gehütet

Die gute Meldung vorweg: Der Himmel ist in diesen Tagen blau. Er ist blau, und darüber besteht in allen politischen Lagern und über manche Differenzen in Einzelfragen hinweg Konsens.

Der blaue Himmel setzt ein Zeichen, so ist in diesen Tagen aus berufenem Munde oft zu vernehmen. Das ist zweifellos gut so. Wir brauchen das in diesem Lande. Doch auch dies muss zu sagen erlaubt sein: Was wir durchaus nicht brauchen, ist eine vorschnelle Hexenjagd auf jene, die ein anderes Wetter höher schätzen, womöglich sogar Nebel, Regen und Schnee herbeiwünschen. Gewiss, bewölkter Himmel und nasskalte Witterung sind nicht mehrheitsfähig. Aber wir sollten diese Haltung nichtsdestoweniger sehr ernst nehmen und deshalb mit aller Entschiedenheit darauf hinwirken, dass auch hier, in diesen bislang abseits stehenden Kreisen, der blaue Himmel endlich ohne Vorbehalte akzeptiert wird.

Wir sollten Verständnis zeigen, aber wir müssen auch und gerade im Interesse des Landes dafür Sorge tragen, dass alle, und das heißt: wirklich alle den blauen Himmel als das erkennen, was er ist: ein Muss für alle und das Einzige, was Deutschland im Zeitalter der Globalisierung voranbringen kann.

Blauer Himmel ist auch und gerade im 21. Jahrhundert ein nicht zu unterschätzender Standortvorteil, den es zu bewahren gilt. Allzu lange haben Länder wie Italien oder die Saharavölker dieses Monopol eifersüchtig gehütet. Im Zeitalter offener Märkte und grenzüberschreitenden Wettbewerbs aber gelten diese alten, lieb gewordenen Privilegien nicht mehr. Gerade hier und heute, da Deutschland mit dem blauen Himmel auf Augenhöhe ist, tun wir daher gut daran, den blauen Himmel als Freund und Partner schätzen zu lernen. Bei allem Respekt, den eine Minderheit auch in einer Demokratie durchaus verdient: Wer hier nicht bereit ist mitzuziehen, muss auch in einem Rechtsstaat sich Fragen gefallen lassen, so schmerzlich das im Einzelfall sein mag. Unstreitig ist, dass die seriöse Kritik am blauen Himmel durchaus ihre Berechtigung hat.

Er sei wenig verlässlich, heißt es etwa. Doch die moderne Politik hat nicht umsonst Forderungen an das Wetter und insbesondere eben an den blauen Himmel gestellt, die auf Berechenbarkeit und Kontinuität zielen, wohl wissend, dass es hundertprozentige Planungssicherheit nicht geben kann. Daraus den voreiligen Schluss zu ziehen, der blaue Himmel wäre verfehlt, geht aber am Kern des Problems vorbei. Quo vadis, Wetter – diese leichtfertige Frage darf in einem stabilen demokratischen Gemeinwesen nicht von kurzsichtigen Gruppeninteressen instrumentalisiert werden! Kompetenz und Verantwortung sprechen im Gegenteil eindeutig für den blauen Himmel. Blauer Himmel, so übereinstimmend der Tenor in der westlichen Staaten- und Wertegemeinschaft, bedeutet ein Mehr an Plus für Optimismus. Blauer Himmel ist eine Investition in die Zukunft. Vorbildlich niedrig ist auch die Staatsquote am blauen Himmel. Die breite Akzeptanz des blauen Himmels spricht deshalb eine klare Sprache: Er ist für alle, darauf ist mit Nachdruck hinzuweisen, ein Schritt in die richtige Richtung. Gewiss, auch dies sei eingeräumt, der blaue Himmel ist nur ein Anfang.

Aber er ist mehr als ein Anfang. Ein hohes Maß an blauem Wetter ist eine Notwendigkeit, darin sollten sich Befürworter und Kritiker einig sein. Regenwetter ante portas – solche Kassandrarufe sind unverantwortlich in Tagen wie diesen, in denen der blaue Himmel alle Menschen aufruft, nach vorne zu schauen. Der blaue Himmel ist daher gut beraten, den einmal eingeschlagenen Kurs auch in den nächsten Tagen weiter zu verfolgen! Vor übertriebenen Erwartungen ist jedoch zu warnen. Der Blick in die Geschichte lehrt, dass das Wetter ein Teufelskreis ist. Die Regierung kann den blauen Himmel auf ihre Agenda setzen und um Vertrauen werben, doch sie weiß auch, dass der blaue Himmel immer wieder am Scheideweg steht. Das ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, auch wenn eine offizielle Bestätigung noch fehlt, eine Realität, die wir anerkennen müssen wie so vieles andere.

Ohne in verfrühte Panikmache verfallen zu wollen: Ein blauer Himmel in diesen Tagen ist immer auch ein Symptom, ein Paradigma. Bleibt zu hoffen, dass er kein Omen wird. Das, liebe Leser, ist die andere gute Meldung. PETER KÖHLER