Der Triangel-Spieler

Mike Penberthy ist in der besten aller Basketball-Ligen Champion geworden, im Jahr 2001 mit den Los Angeles Lakers. Die heute beginnende NBA-Saison schaut er sich aus der Ferne an. Denn der US-Amerikaner will nun Alba Berlin zum Titel führen

AUS BERLIN ANDREAS RÜTTENAUER

Mike Penberthy weiß, dass er etwas Besonderes ist. Der Basketballer von Alba Berlin hat mit den Los Angeles Lakers 2001 die Meisterschaft in der stärksten Liga der Welt, der NBA, gewonnen. „Wahrscheinlich bin ich der einzige NBA-Champion in Europa“, sagt er: „Den Titel kann mir keiner mehr nehmen.“ Er hat mit den größten Stars der Szene zusammengespielt, mit dem genialischen Kobe Bryant, mit dem wuchtigen Shaquille O’Neal. Und sein Trainer war seinerzeit der sagenhafte Phil Jackson, unter dessen Leitung die Lakers dreimal den Titel gewonnen haben. Jackson hat zudem die Chicago Bulls mit Michael Jordan zu sechs Titeln geführt. „Ich habe viel gelernt unter ihm“, erinnert sich Penberthy. Heute beginnt die neue Saison in der NBA. Der Shooting Guard des Bundesligaspitzenreiters freut sich schon. Via Satelliten-TV und Internet wird er dabei sein.

Noch immer träumt Penberthy, der, bevor er nach Berlin gewechselt ist, bei Pompea Neapel gespielt hat, von einer Rückkehr in die NBA. Vor dieser Saison wäre ihm das Comeback in der Eliteliga beinahe gelungen. Er stand in Vertragsverhandlungen mit den L. A. Clippers. „Ich war zwölf Stunden von einer Vertragsunterzeichnung entfernt“, erzählt er, doch dann hätten sich die Clippers entschieden, einen Spieler von einem anderen Verein loszueisen. Kurz darauf hat er in Berlin unterschrieben. „Ja“, sinniert er, „ich denke schon an eine Rückkehr, aber ich verfolge das Ziel nicht aktiv.“ Jetzt spielt er erst einmal in Berlin. Der Verein hat tief in die Tasche gegriffen, um sich die Dienste eines der besten Distanzschützen, der in Europa auf dem Markt war, zu sichern. Und Penberthy gibt brav zu Protokoll, dass er sich vorstellen kann, länger als das verabredete Jahr in Berlin zu bleiben.

Sollte ihm die Rückkehr in die Heimat nicht gelingen, dann bleiben ihm die Erinnerungen an sein Jahr als Rookie, als Profineuling bei den Lakers, an das Meisterschaftsjahr. Es sind Erinnerungen an eine formidable Zeit: Penberthy hatte seinen Spind neben dem des Center-Riesen O’Neal. „Ja, er war ein guter Freund“, sagt Penberthy – und: „Wir hatten viel Spaß zusammen.“ Wäre O’Neal nicht nach Miami gewechselt, er hätte immer noch Kontakt zu ihm. Als er im Sommer in L. A. war, hat er sich mit ehemaligen Mitspielern getroffen. Eine NBA-Saison schweißt zusammen. „Ich habe ja auch wesentlich mehr Zeit mit der Mannschaft verbracht als mit meiner Familie.“ Um 9.30 Uhr beginnt dort das Training, jeden Tag, ohne Ausnahme, danach Besprechungen und Videoanalysen – und am Abend folgt meist ein Spiel. Dann gibt es die Flüge zu den Auswärtsspielen, die Übernachtungen in Hotels: „Man lernt sich sehr schnell kennen.“ Im ersten Monat, sagt er, sei er überrascht gewesen, wie zeitraubend alles ist. Das ist in Berlin anders. Er hat mehr Zeit für seine Familie.

In den USA war das Leben von der NBA dominiert, von der Arbeit unter Phil Jackson, dem Trainer-Guru, der vor dieser Saison zu den Lakers zurückgekehrt ist, nachdem er zuvor im Streit gegangen war. Während der zurückliegenden Auseinandersetzungen hat Jackson den Star der Lakers, Kobe Bryant, als untrainierbar bezeichnet. Mike Penberthy gibt seinem ehemaligen Coach durchaus Recht: „Ja, er ist wirklich untrainierbar.“ Und den Grund liefert er gleich nach: „Er ist einfach zu gut. Er braucht den Triangel nicht.“ Den Triangel? Das ist jenes sagenumwobene Spielsystem, das den Basketballtrainer Jackson berühmt gemacht hat. Leicht zu erklären ist es nicht. „Ich hatte nur zwei Wochen Zeit, es zu lernen“, erinnert sich Penberthy. Abends habe er die Taktikbücher mit nach Hause genommen und regelrecht gebüffelt. Doch: „Um das System wirklich zu beherrschen, braucht man zwei Jahre.“ Für beinahe jede erdenkliche Spielsituation gibt es eine Vorgabe. Der Triangel ist ein Dreieck von Spielern, die sich vorm Korb bewegen und immer die Position ausfüllen müssen, die sie gerade einnehmen; der Center kann so zum Flügelspieler werden und umgekehrt – ganz unabhängig von der Körpergröße. Bryant lässt sich schwer in ein solches System einbinden. „Er will immer der Beste sein, will die Spiele alleine entscheiden“, sagt Penberthy. Das wird ihm auch immer wieder gelingen in der kommenden Saison, glaubt der 30-Jährige.

Dennoch rechnet Penberthy nicht damit, dass die Lakers eine Chance auf den Titel haben. Im Vergleich zum amtierenden Champion, den San Antonio Spurs, seien die Lakers nicht gut genug besetzt. Außerdem brauche eine Mannschaft ihre Zeit, um das System von Jackson zu verinnerlichen. Für die Lakers wird es eine harte Saison werden. Die Erwartungen in Los Angeles sind immens hoch. „Es wird immer vom Titel geredet“, weiß Penberthy. Das ist in Berlin nicht anders. Auch das ist dem treffsicheren Mann klar, der mit seinen Distanzwürfen maßgeblich für den gelungenen Saisonstart von Alba Berlin – sechs Siege in sechs Spielen – verantwortlich ist.

Penberthy kann freilich noch nicht viel sagen über die Stimmung in der Bundesliga. Fürs Erste zieht er eine Parallele zwischen dem Basketball in den USA und dem in Deutschland. Das Publikum in den Hallen sei gleichermaßen fachkundig. Hier wie dort hätten die Fans Verständnis dafür, wenn man einmal nicht trifft. In Italien hingegen habe die Halle vor Wut gekocht, wenn ein Wurf daneben ging: „Die Leute sind verrückt dort.“ Den europäischen Basketball hat Penberthy inzwischen schätzen gelernt: „Das ist Basketball pur“, sagt er, „ohne Zugeständnisse an Entertainment und Fernsehen.“ Die Mattscheibe wird er in den nächsten Monaten häufiger anschalten, um seinen alten Kumpanen zuzusehen, wie sie ihre Show unter den Körben abziehen. Mit oder ohne Triangel.