LeserInnenbriefe
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Kathmandu war totenstill

betr.: „Ein Fest fürs Leben“ – Nach dem Erdbeben kommt der Tourismus in Nepal zaghaft zurück, taz vom 24./25. 10. 15

Ich komme gerade von einem ärztlichen Einsatz aus Banjkateri in Westnepal zurück und habe das Land in einem wirtschaftlichen Chaos versinken sehen. Aufgrund des Grenzboykotts nach Indien (Nepal importiert einen Großteil seiner Güter aus Indien) gab es im ganzen Land kein Öl, vor den Tankstellen standen Hunderte Fahrzeuge zum Teil mehrere Tage lang. Kathmandu war totenstill, die Stromausfälle waren noch länger als sonst , Krankenhäuser mussten wegen Medikamentenmangels schließen. Ausländische Flugzeuge wurden nicht mehr betankt. Die Trinkwasseraufbereitung begann schwierig zu werden.

Touristen: vereinzelt. In den Restaurants gab es nur noch einige einfache Gerichte , da kein Gas zum Kochen da war. Ursache des Ganzen: In der vor etwa fünf Wochen neu verabschiedeten Verfassung fühlte sich die im Terai an der Grenze zu Indien lebende Bevölkerungsgruppe nicht ausreichend berücksichtigt und boykottierte die Grenzübergänge. Inwieweit Indien eine Rolle spielt ist umstritten. Betreffend Erbeben: Es leben noch Tausende in Kathmandu in Zelten, es gibt erheblichen Gebäudeschaden, die Tempel am Durbar Square sind stark beschädigt, Boudnath ist nahezu völlig zerstört. FLORIAN GOTTESLEBEN, Göhrde

Gedankenlosigkeit oder Absicht?

betr.: „Nachgedacht und ausgestiegen“, taz vom 28. 10. 15

Ist es eigentlich Gedankenlosigkeit oder Absicht, wenn Sie sich bei Ihrem Bericht über die Personalie Wolfgang Lieb bei den Nachdenkseiten des üblichen Kampfvokabulars „Verschwörungstheorie“ (Müller, Ganser) oder „zweifelhafte Positionen“ (Ken Jebsen) bedienen? Das ist genau jener Mainstream, den Müller in den Nachdenkseiten immer wieder thematisiert, sicherlich mit wachsender Schärfe, was die Argumentation ja nicht falsch macht. Da befremdet mich die taz zunehmend. Ähnlich war es schon früher, als man einfach den diffamierenden Begriff „Wutbürger“ vom Spiegel übernahm. Einem gestandenen Redakteur sollte eigentlich die Funktion von Sprache als Waffe klar sein. Und vielleicht sollten Sie sich mal mit den „Verschwörungstheorien“ auseinandersetzen, als sie nonchalant abzutun.

KLAUS -ULRICH BLUMENSTOCK, Stuttgart

Zucker macht fett

betr.: „Freispruch für fettes Essen“, taz vom 30. 10. 15

Es war schon immer klar, dass Fett nicht fett macht, sondern die sogenannten „leeren“, sprich isolierten Kohlenhydrate (Auszugsmehle und Zucker) fett machen. Eines dieser Kohlenhydrate, Zucker, macht sogar süchtig und ist maßgeblich an allen modernen Zivilisationskrankheiten, zum Beispiel Diabetes, Gicht, Herzinfarkt, Arthrosen, Rheuma, Fettsucht und vieles mehr, beteiligt. Dies ist allerdings schon seit vielen Jahrzehnten bekannt und wird genauso lange von der Zuckerindustrie durch erfolgreiche Desinformation bestritten. WOLFGANG WEDEL, Nürnberg

Ein Mensch in seinem Widerspruch

betr.: „Fritz Bauer verschonte Nazirichter“, taz vom 26. 10. 15

Es ist bewunderungswürdig, dass Georg D. Falk sich in dem vom Fritz-Bauer-Institut veröffentlichten Aufsatz mit einem Teil der Fritz-Bauer-Forschung befasst hat, für die andere wohl nicht die Zeit oder die juristische Expertise hatten: der Aufarbeitung der Verbrechen der juristischen Schreibtischtäter. Dass Bauer rund 100 Verfahren gegen NS-Juristen sogar in extremen Fällen eingestellt hat, ergibt sich aus seinen eigenen Akten. Nicht ganz zustimmen kann ich nur der Feststellung in dem vom Fritz-Bauer-Institut veröffentlichten Aufsatz, Fritz Bauer habe den Kampf gegen die NS-Juristen nicht wirklich aufgenommen.

Lange bevor Fritz Bauer sich schwerpunktmäßig mit dem ­Auschwitz-Komplex, mit den „Euthanasie“-Tätern und den anderen NS-Gewaltverbrechern beschäftigt hat, ist er mit größter Tatkraft gerade an die Verfolgung der Richter der Sondergerichte herangegangen. In seiner ersten Amtshandlung als Braunschweiger Generalstaatsanwalt im Jahre 1951 hat er sich in die von der damaligen Braunschweiger Justiz boykottierte Strafverfolgung der an dem Todesurteil gegen den letzten Helmstedter Juden, Moritz Klein, beteiligten drei Sonderrichter eingeschaltet und auf die Zulassung der gegen sie erhobenen Anklage bestanden, zur großen Empörung der Braunschweiger Richter.

Zur Eröffnung der Hauptverhandlung kam es nur deshalb nicht, weil der Vorsitzende des Braunschweiger Strafsenats – vor 1945 einer der höchsten Wehrmachtsjuristen – die Beschwerde Fritz Bauers zurückgewiesen hat.

Später hat Bauer fast zeitgleich mit dem Auschwitz-Prozess energisch versucht, in einem Großverfahren die Oberlandesgerichtspräsidenten und die übrige NS-Juristenprominenz vor Gericht zu stellen. Von der Fachwissenschaft bislang nur wenig wahrgenommen, ist dies Verfahren nach dem plötzlichen Tod Fritz Bauers von seinem hessischen Nachfolger klammheimlich veruntreut worden. Hatte Fritz Bauer, dem schon bei seinem Vorgehen gegen die Braunschweiger Sonderrichter immer wieder Steine in den Weg geworfen waren, innerlich resigniert? Dafür gibt es keine äußeren Anhaltspunkte. Um mit Goethe zu sprechen: Auch Fritz Bauer war kein ausgeklügelt Buch, er war ein Mensch in seinem Widerspruch. HELMUT KRAMER, Wolfenbüttel