Malle muss warten, aber die Null steht

Comeback Nach einem in schöner Huub-Stevens-Tradition ermauerten 0:0 in Köln sorgt sich der als Retter auserkorene neue Hoffenheimer Trainer vor allem um eins: Wer sitzt im Flieger nun neben seiner Frau?

161 Tage fehlte sein markantes Profil auf deutschen Fußballplätzen: Huub Stevens Foto: reuters

Aus Köln Andreas Morbach

Fünf Monate können eine kleine Ewigkeit sein – oder auch nur ein Wimpernhauch im ständigen Kommen und Gehen. Bei Huub Stevens ist die Sache eindeutig. 161 Tage nach seinem zweiten erfolgreich abgeschlossenen Notarzteinsatz in Stuttgart war der Niederländer zurück auf seiner liebsten Spielwiese, der Fußball-Bundesliga, und machte das, was er dort immer getan hat. Erst knurrte er ein bisschen in die Runde, präsentierte im nächsten Augenblick aber sein kehliges Lachen und umgarnte die Journalisten, die er eben noch angefaucht hatte.

Auch in Hoffenheim, seiner sechsten Trainerstation in Deutschland, wird das nun eine Zeit lang so gehen. Wenn alles glattläuft bis zum 14. Mai 2016. Dann endet die aktuelle Saison, und der Schalker Jahrhunderttrainer wird Platz machen für den 28-jährigen Julian Nagelsmann, den neuen, mit Vorschusslorbeeren überhäuften Wunderknaben der Fußballlehrerbranche. So haben es der Spezialist für schwierige Fälle und die Vereinsführung der Kraichgauer vereinbart – ein Pakt ganz nach Stevens’ Geschmack.

Der feiert Ende des Monats seinen 62. Geburtstag – und sprach nach dem 0:0, das er zum Einstieg mit seiner neuen Mannschaft in Köln erreichte, sehr offen über die natürlichen Grenzen der Begeisterungsfähigkeit. „Ich bin in ein Alter gekommen, wo ich sage: Ein halbes Jahr kann ich überblicken, aber mehr auch nicht. Das will ich auch nicht“, betonte der rettende Holländer, dem in Hoffenheim später niemand vorwerfen kann, er habe die Leute nicht vor seinen Launen gewarnt. Denn, so verdeutlichte Stevens: „Jetzt fühle ich mich noch wohl. Aber ich weiß nicht, was in einem halben Jahr ist. Da musst du ehrlich sein – zum Verein und zu dir selbst.“

Das unverblümte Wort schätzt auch Dominique Heintz. Kölns Innenverteidiger erklärte nach dem Spiel spitz: „Ich habe bei Hoffenheim keinen Trainer­effekt gesehen. Normalerweise müsste eine Mannschaft da doch mit mehr Schwung daherkommen. Stattdessen spielt ihr Torwart Baumann am Ende auf Zeit – die wollten einfach nur den Punkt.“ Doch der alte Fahrensmann Stevens konnte dem 22-Jährigen alles erklären: „Man fängt bei einer Mannschaft an, sie von hinten aufzubauen.“ Der frühere Innenverteidiger verwies sarkastisch auf das vom schwachen Sai­son­start zerbeulte Selbstbewusstsein seiner Spieler: „Wenn du vorne mit dem Aufbauen anfängst – super!“ Den Hoffenheimer Schnitt von zwei Gegentreffern pro Partie hatte er mit den bekannten Erste-Hilfe-Maßnahmen – mannschaftliche Geschlossenheit, geringe Abstände zum Gegner, jeder ackert für jeden – schon mal rapide gesenkt und untermauerte so seinen Ruf als kundiger Toreverhinderer.

Dass er mit dem ihm frisch anvertrauten Ensemble aber nicht nur Tore verhindern, sondern auch erzielen kann, das will Stevens ab sofort beweisen. Hoffnungen setzt er da vor allem auf Kevin Volland, der in Köln wegen seiner fünften Gelben Karte gesperrt war. „Wenn er dabei ist, hast du vorne Qualität“, betonte der Coach der 1899er, der mit erkennbarem Genuss sofort in den üblichen Disput mit den Medienvertretern einstieg. „Ihr wisst immer, was zu tun ist – das stört mich“, giftete er zum einen, murrte aber andererseits: „Dann bin ich halt mal wieder der Defensivdenker. Ich hab damit kein Problem.“

Ein Problem könnte allerdings werden, dass die Rettungsmanöver in Stuttgart und das soeben begonnene in Hoffenheim einem Vergleich nicht standhalten. So sieht es zumindest Stevens, der erklärte: „In Stuttgart hatte ich eine ganz andere Mannschaft, ganz andere Qualität.“ Und: „Das sind zwei Vereine, die zwar geografisch nah beieinanderliegen, aber ganz große Unterschiede haben.“

Als er das sagte, stand Stevens im Stadion des 1. FC Köln – jenes Klubs, den er nach dem Aufstieg im Sommer 2005 verließ, um seiner schwerkranken Frau zu Hause in den Niederlanden beizustehen. Der mehrfache Großvater erzählte, dass er bei allem Spaß an dem neuen Job seine Familie vermisse, plauderte über die Enkelkinder und seine ursprünglichen Pläne Anfang letzter Woche. „Eigentlich wollte ich am Montag nach Mallorca fliegen“, berichtete ­Huub Stevens und schmunzelte Gemahlin Toos hinterher: „Jetzt geht sie ohne mich – und ich weiß nicht, mit wem.“