„Keine Ausgrenzung mehr“

Diskussion über die Zukunft von St. Georg

■ 54, Historiker, arbeitet in der Erwachsenenbildung und ist Vorsitzender des Einwohnervereins St. Georg. Er lebt seit 1981 im Stadtteil.

taz: Herr Joho, wenn es nach Ihnen geht: Wie soll St. Georg im Jahr 2040 aussehen?

Michael Joho: Es soll ein Viertel sein, das verschiedenste Gruppen vereint, die ihren Stadtteil mitgestalten, der weder Yuppie noch Hotelstandort ist. Es gibt sowohl eine soziale Erhaltensverordnung als auch einen Mieterschutz für Kleingewerbe.

Was macht den Stadtteil aus?

Das Nebeneinander verschiedener Kulturen und Lebensentwürfe – auch derer, die am Rand der Gesellschaft stehen. Vor 800 Jahren waren das die Leprakranken, später die unzünftigen Handwerker. Auch für die heute Ausgegrenzten muss es einen Platz geben – nicht im Sinne von Konzentration, sondern von Dialog.

Und wer verhindert diesen Dialog?

Die Politik. Die Gentrifizierung begann vor zehn Jahren, als SPD und CDU im Bezirk Mitte die Umsetzung der sozialen Erhaltensverordnung für St. Georg verhinderten. Es folgte die Verdrängung etlicher Bewohner zugunsten derer mit viel Geld. Seit einem knappen Jahr haben wir endlich die Erhaltenssatzung.

Also ist der Trend gestoppt?

Ja, aber zu spät: In St. Georg gibt es 5.000 Wohneinheiten, von denen in den letzten 10 Jahren über 600 zu Eigentumswohnungen wurden. Außerdem ist der Mietanstieg ungebremst. Das Mietrecht gehört nachgebessert.

Was erwarten Sie heute Abend vom Besuch der Stadtentwicklungssenatorin?

Sie soll sagen, was der Senat tun will mit Blick auf St. Georg und die anderen innenstadtnahen Quartiere, die von Gentrifizierung betroffen sind. Und ob sie der Idee vom Hauptbahnhofs-Quartier als „Visitenkarte“ weiter frönen will.  INTERVIEW: PS

Diskussion des Einwohnervereins mit Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau (SPD): 19 Uhr, Heinrich-Wolgast-Schule