Berliner Szene
: Wieso? Warum? Weshalb?

Ende einer Liebe

„Wieso machst du so was?? Wieso lügst du mich an??“

Kurz vor dem Schlafengehen lüftete ich das Wohnzimmer. Kaum hatte ich ein Fenster geöffnet, war ich mittendrin in einem heftigen Beziehungsstreit. „Wir hatten sogar über Kinder gesprochen!“, rief eine Frau, deren Stimme nach höchstens 20 Jahren klang, außer sich. „Und jetzt sagst du, dass es nichts Ernstes war??“ Das Paar, das ich nicht sehen konnte, stand zum Schutz vor dem Nieselregen unter einem der Bäume unter meinem Wohnzimmer. Die Stimme der Frau überschlug sich immer wieder. Doch manchmal trug der Wind Wort für Wort zu mir hinauf. „Ich vertraue dir die ganze Zeit, und dann muss ich erfahren ...“ Was sie Schreckliches erfahren musste, verschluckte sehr zu meinem Leidwesen der Wind.

„Du musst doch irgendwas damit erreichen wollen!“, warf die Frau ihm vor. „Warum machst du das?“ Offenbar antwortete der Mann mit leiser Stimme etwas, ich aber verstand wiederum nur die Antwort der Frau. „Wie, das war nicht so gemeint?? Du willst mich wohl verarschen??“ Wieder blies der Wind durch die Bäume, in der Ferne war eine Straßenbahn zu hören, dazwischen erreichte mich der ewig gleiche Vorwurf in den unterschiedlichen Varianten. „Wieso machst du so was?? Du musst doch irgendwas damit erreichen wollen!! Wieso lügst du mich an??“

Hatte ich der herbstlichen Auseinandersetzung anfangs noch halbwegs amüsiert zugehört, empfand ich den Streit, der eher ein Monolog war, zunehmend anstrengend. „Wieso sagst du mir, ich liebe dich, und meinst es nicht ernst? Wann hätte ich es denn sonst erfahren?“ Auf einem Balkon in der Nachbarschaft klirrten Bierflaschen, die jemand in einen Kasten stellte. Als es nur noch ganz leicht tröpfelte, herrschte plötzlich Stille. Ein alter Mann lief langsam auf dem nassen Pflaster entlang und hustete sich die Seele aus dem Leib.

Barbara Bollwahn