Berlinmusik

Tragende Rollen

Manche Musikstile sind einfach nicht totzukriegen. Vor allem jene, in denen Gitarren eine tragende Rolle spielen und die in den sechziger Jahren entstanden sind. Es war ein musikalischer Aufbruch und die Klänge von damals werden, untertrieben gesagt, noch heute gern gehört. Aktuelles Beispiel: der Erfolg der Berliner Vorzeige-Hard­rocker von Kadavar.

The Loranes hauen in dieselbe Kerbe. Kein Wunder, denn Bassist Mammut spielte bis vor zwei Jahren, bevor man also sogar in den USA auf die Band aufmerksam wurde, noch bei Kadavar. Auch die Loranes sind ein Trio in klassischer Heavy-Rock-Besetzung: Sie stellen eine so liebevolle wie detailgenaue Nachbildung des Klangbildes solcher Urgesteine wie Mountain oder Free her und stehen in derselben Ahnenreihe wie Kyuss oder The Black Keys. Im Gegensatz zu Kadavar ist allerdings der Blues-Einfluss geringer, die Punk-Attitüde etwas ausgeprägter und die Bärte sind ein gutes Stück kürzer. Ihre Vorbilder sind eher in einer Garage zu Hause, heißen eher The Sonics als Black Sabbath. Aber notfalls können die Loranes auch ein kilometerlanges Gitarrensolo hinlegen. Denn darum geht’s ja vor allem. Und solche satt verstärkten, aber warmen Sechssaitige, die nicht von einem Computer sauber gerechnet wurden, sind dermaßen vom Aussterben bedroht, dass man um jede Band froh ist, die noch weiß, wie man auf ein Fuzz-Pedal zu treten hat: Möglichst kräftig nämlich.

Auch der Ska erhält sich schon seit den späten sechziger Jahren seine Faszination. Sogar die Skinhead-Hysterie der Neunziger, als jeder kurzrasierte Polo-Hemdträger automatisch zum Nazi erklärt wurde, haben die Musik und ihre Szene überstanden. Seit Jahren eine feste Größe sind The Offenders, 2005 gegründet in Italien und 2009 nach Berlin übergesiedelt. Auf ihrem neuen Album „X“ bewegen sie sich routiniert im toten Winkel zwischen Ska und Pub-Rock, Hooligan-Machismo und Reggae-Schluffigkeit, zwischen links und rechts. Ob in Deutsch oder Englisch, immer überzeugt akzentgeschwängert, singt Valerio Tenuta eine Hymne auf die im Dritten Reich verfolgte „St. Pauli Swing Jugend“, aber eben auch ein Hohelied auf das richtige Schuhwerk. Er stellt einerseits fest: „Society is not for me“, freut sich aber dann doch vor allem auf „another beer“. Doch das Beste an den Offenders ist zweifellos, dass man ihrem Ska sogar den Rost anhört, den er angesetzt hat. Thomas Winkler

The Loranes: „Trust“ (Noisolu­tion/Indigo)

The Offenders: „X“ (Destiny/ Broken Silence)