Berlin braucht einen neuen Look

MODE Mit der Fashion Week versucht die Stadt, sich im internationalen Modezirkus zu etablieren. Bisher klappt das ganz gut. Doch für die Zukunft müssen neue Ideen, mehr Geld und eine Förderung des Nachwuchses her

Klaus Wowereit schreibt: „Berlin – das ist ‚the place to be‘ in fashion.“ Allein in dieser Aussage steckt so viel Anachronismus, dass es wehtut

VON ENRICO IPPOLITO

Es ist jedes Jahr das gleiche Spiel: Zur Berliner Fashion Week treffen sich die Pessimisten und die Optimisten – und am Ende gewinnt keiner. Die harsche Kritik gegen das Großevent ebbt nicht ab. Und schon oft wurde die Modewoche seit ihrem Start im Jahr 2007 totgesagt. Sie hält sich dennoch.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) schreibt in der Ausgabe des offiziellen „Fashion Week Berlin“-Magazins: „Berlin – das ist ‚the place to be’ in fashion.“ Allein in dieser Aussage steckt so viel Anachronismus, dass es wehtut. Wowereit kann sich nicht darauf ausruhen, dass alle hierhin, in die „pulsierende Metropole“, wollen. Denn die internationale Konkurrenz ist massiv: Wer die Möglichkeit hat, seine Entwürfe in Paris, Mailand, New York oder London zu zeigen, nutzt sie natürlich. Und das Argument, dass der Wettbewerb bei diesen anderen Fashion Weeks hart ist, gilt mittlerweile auch für Berlin und den Designernachwuchs.

Eine Art Modekammer

Laut Angaben des Senats sind rund 3.700 umsatzsteuerpflichtige Unternehmer in der Modewirtschaft tätig. Werden die freien Mitarbeiter, Selbstständigen und geringfügig Beschäftigten mitgezählt, liegt die Zahl sogar bei 15.300. Damit ist Berlin immerhin in Deutschland auf Platz eins. Wenn Klaus Wowereit und die Senatsverwaltung die Stadt als Modestandort langfristig etablieren wollen, braucht es mehr Geld. Immerhin vergibt der Senat einen Nachwuchspreis, den „Start your Fashion Business“. Natürlich ist dies der richtige Weg. Es reicht aber nicht. Was Berlin benötigt, ist eine Art Modekammer, wie sie Paris zum Beispiel längst hat. Eine Institution, die von Mode Ahnung hat und die Schauen organisiert.

Davon ist die Stadt weit entfernt. Die Verantwortlichen verlassen sich immer noch auf die jungen Leute, die nach Berlin ziehen und die Stadt hip machen – und das fast sechs Jahre nach der ersten Berliner Fashion Week. Es fehlt an neuen Ideen, neuen Konzepten und vor allem an einer vernünftigen Nachwuchsförderung.

Das ist nicht das einzige Problem, das Berlin, die vermeintliche Modehauptstadt, hat. Mode war noch nie wichtig in Deutschland. Autos ja, Reihenhäuser auch. Aber für Mode viel Geld ausgeben? Wohl kaum. Mode wird in Deutschland nicht als gesellschaftliches Phänomen wahrgenommen. Sie ist hier Bling-Bling und nicht Hochkultur. Sich in Deutschland mit Mode zu beschäftigen bedeutet, die Oberflächlichkeit voranzutreiben. Relevant ist sie nur als Wirtschaftszweig – wenn es also um Profit geht. Aus dem Grund waren die Messen schon immer wichtiger als die eigentlichen Schauen.

Doch gerade für die Macher der Messen wird es schwieriger. Es werden mehr, doch das fördert nicht die Qualität. Die „Bread & Butter“ ist immer noch das Bonbon der Berliner Modewoche und nicht – wie so oft vermutet – das Zelt am Brandenburger Tor, der Ort der Schauen. Die wichtigen Menschen, die Einkäufer, kommen nämlich vor allem wegen der Sport- und Streetstylemesse und der anderen großen Messe, der „Premium“, in die Stadt. Gleichzeitig versuchen kleinere Modemessen ihr Glück, was den Bread-&-Butter-Chef Karl-Heinz Müller schon im Juli vergangenen Jahres gehörig nervte. Denn die vielen kleinen Konkurrenten nehmen sich gegenseitig die Kunden weg. Sie grenzen sich nicht genug voneinander ab. Und deswegen kann auch keine – wirklich notwendige – Pluralität entstehen.

Die Fashion Week wird von Jahr zu Jahr fader. Das gilt auch für den offiziellen Schauenplan der diesjährigen Modewoche. In Berlin gelten Vladimir Karaleev, Hien Le und Augustin Teboul als neue Designer, die die Stadt nach vorne treiben. Mit recht. Denn gerade sie zeigen, was hier alles möglich ist, wenn man sich traut. Karaleev, Le und Augustin Teboul kämpfen mit ihrer Mode, ihren Visionen und ihren Ideen gegen die Behäbigkeit und Beliebigkeit der großen Namen wie Boss, Laurèl und Marc Cain.

Wer zahlt, ist drin

Wenn Berlin in Zukunft ernsthaft eine Chance im internationalen Modezirkus haben will, muss das Potenzial der Stadt entdeckt werden. Dabei hilft Wowereits Party- und Bussibussi-Politik nicht. In anderen Städten ist es schon eine Ehre, überhaupt seinen Namen auf den offiziellen Schauenplänen zu lesen. In Berlin hingegen scheint es keine wirkliche Auswahl zu geben. Wer zahlt, bekommt einen Spot – ohne Qualitätskontrolle. Etwa 10.000 Euro müssen die Designer hinlegen, um ihre Mode auf dem Laufsteg zu zeigen. Zu viel für kleine Berliner Labels, die vor allem den Hauptteil der kreativen Modeszene ausmachen. Und auch das etwas günstigere Studio für rund 5.000 Euro, wo die Models die Entwürfe der Designer im Stehen zeigen, ist für sie keine Alternative.

Und trotzdem: Wie jedes Jahr werden sie wieder alle in die Stadt kommen – die Einkäufer, die Modejournalisten, die B-Prominenz. Wie immer werden sie sich selbst feiern, sich selbst ernst nehmen, sich vor dem schönen Sponsorenwagen abfotografieren und sich vor allem über die Kritik zur Berlin Fashion Week ärgern.

Reportage SEITE 5