Der Lobbyist der Woche
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Ganz
oben

Foto: privat

Libor-Zins? Kirch-Prozess? Bald kann Jörg Eigendorf (Foto) all die Geheimnisse erfahren, die ihm bislang durch schriftliche Antworten wie „Dazu liegen uns keine Erkenntnisse vor“ oder „Es ist falsch, dass [hier beliebigen Sachverhalt einfügen]“ verborgen blieben.“ Er wird all das wissen – und dann auch antworten, was alles nicht bekannt sei oder nicht bestätigt werden könne: Eigendorf wird im April 2016 Konzernsprecher der Deutschen Bank.

Zugegeben, es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Journalist oder eine Journalistin zu einem Verband oder Konzern geht und dort den Verkünder und Abwiegler mimt. Doch bei Eigendorf liegt der Fall etwas anders: Der 47-Jährige leitet das Investigativressort der Welt. Investigativreporter sind meistens ein bisschen verrückt und von ihrer Sache ziemlich überzeugt. So überzeugt, dass es für viele wie Verrat an der guten Sache aussähe, die Seiten zu wechseln. Außerdem sind viele Enthüllungsreporter so vielen Entscheidern schon auf die Füße getreten, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nur schwerlich vorstellbar wäre. Der typische Wechsler ist anders: Er hat sich zuvor durch möglichst wohlwollende Artikel eingeschleimt – und darf dann (endlich) zu Siemens oder zum DFB. Vor denen muss sich keine Firma fürchten – vor den überzeugten Journalisten schon.

Und so malte sich Gabor Steingart vom Handelsblatt schon einmal aus, wie es laufen wird mit Eigendorf, der der gewiefteste Enthüllungsreporter von allen sei: „Schlich sich Günter Wallraff für seinen Armutsreport ‚Ganz unten‘ noch unter falscher Identität ein, schreitet Eigendorf in geradezu frivoler Offenheit durch die Eingangshalle der Deutschen Bank.“ Dem dann folgenden Buch hat Steingart auch schon einen naheliegenden Titel gegeben: „Ganz oben“. Jürn Kruse