LESERINNENBRIEFE ZU VERSCHIEDENEN THEMEN

Unterstellung einer Obsession

betr.: „Warum hat jeder Hanswurst eine Meinung zu Israel?“, taz v. 17. 10. 15

Die meisten Menschen sind eher apolitisch, und interessieren sich kaum oder überhaupt nicht für Politik, also auch nicht für Israel.

Andere denken, sie dürfen sich keine Meinung zu Israel bilden, so als Deutsche stehe ihnen das ja gar nicht zu und sie seien zum Nicht-darüber-Nachdenken verpflichtet. Dann gibt es schon auch noch welche, die links und liberal sind, Israel kritisieren und trotzdem keine Antisemiten sind. Vielleicht ist ja schon die dauernde Unterstellung einer Obsession „der Deutschen“ mit Israel obsessiv? MANUELA KUNKEL, Stuttgart

Rechtfertigung für Vertreibung

betr.: „Bis sich die Balken biegen“, taz vom 22. 10. 15

Netanjahus Geschichtsklitterung, indem er den einstigen Großmufti von Jerusalem zum Initiator der Judenvernichtung erklärt, ist in Israel durchaus populär. Es soll der Eindruck erweckt werden, weniger Nazi-Deutschland, sondern die Palästinenser seien schuld an der Ermordung von 6 Millionen Juden. Ebenso würden die „Araber“ heute die Existenz von Millionen Juden bedrohen. Damit verdreht Netanjahu die Geschichte der letzten 70 Jahre und versucht, den Staat Israel als Opfer darzustellen, während der jüdische Staat tatsächlich eine Million Palästinenser vertrieben und Tausende getötet hat.

In seinem Buch „Ist es noch gut, für unser Land zu sterben?“ zitiert der israelische Autor David Ranan einen israelischen Soldaten, der sich bei einer Razzia in einer palästinensischen Stadt, als Frauen schreien und Kinder weinen, an seine Klassenfahrt nach Polen zum KZ Auschwitz erinnert (S. 196): „Wir sind hier, um das Blut unserer Großeltern zu rächen – das ist die heutige Bedeutung der Polenfahrt. Wozu führt man Kinder von 16 und 17 Jahren nach Polen? Wir sind hier, um ihr Blut zu rächen, heißt es unter anderem zur Rechtfertigung. Diese Reiseleiter sprechen mit den Schülern über Rache. Der Staat Israel ist zum Teil eine Rache für die Shoa. Das sagen sie den Kindern. Rache und Kontinuität sind die zentralen Themen, über die sie mit den Kindern sprechen. All das bringt dich in den paar Jahren Militär so weit, dass du alles tust.“ Weil das heutige Deutschland Israel mehrheitlich unterstützt, ist es notwendig, die Rachegefühle umzulenken auf die 5 Millionen Palästinenser, die einem israelischen Staat vom Mittelmeer bis zum Jordan im Wege sind. Die Verdrehung der Geschichte dient dazu, dem zionistischen Projekt die Rechtfertigung für die Unterdrückung, Vertreibung und Tötung der Palästinenser zu geben. MARTIN BREIDERT, Bad Honnef

Wie an jedem Morgen

betr.: „Trotz Vorsicht: Neue Opfer zu beklagen“, taz vom 23. 10. 15

Da sich derzeit die täglichen Messerangriffe in Israel so ausführlicher Beschreibung in den Medien erfreuen, habe ich mir erlaubt, Ihren Artikel etwas umzuschreiben: „Trotz Vorsicht in der deutschen Presse: Neue palästinensische Opfer zu beklagen! Es endet täglich in einer Katastrophe, weil Augenzeugen machtlos zusehen müssen. Zwei mit einem Bulldozer ausgerüstete israelische Soldaten haben am letzten Donnerstagmorgen – wie an jedem Morgen – eine palästinensische Behausung dem Erdboden gleichgemacht. Unterdessen tut die israelische Polizei nichts, um Verdächtige festzunehmen, die ohne Grund Palästinenser auf offener Straße erschießen. Während der alltäglichen Welle der Gewalt in Nahost kommen täglich namenlose Palästinenser ums Leben, um die sich die Weltöffentlichkeit einen Dreck schert.“ HILDEGARD MEIER, Köln