LeserInnenbriefe
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Mediale Manipulation

betr.: „Mit oder ohne Erdoǧan“, taz vom 20. 10. 15

Mittags der Beitrag von Gereon Asmuth in der taz, abends „Die Anstalt“ im ZDF – das passte wie die Faust aufs Auge. Über das, was uns jahrelang in die Köpfe gehämmert wurde und unseren Verstand vernebelt hat, in jeder Gazette und jedem Fernsehsender – und die taz immer mittendrin –, klären Wagner und Uthoff auf, gegen den medialen Mainstream, zum Beispiel: Die Diktatoren in Syrien, Libyen und Irak wurden nicht wegen irgendwelcher Menschenrechte Opfer der geballten militärischen Macht der Nato und der EU, sondern wegen des nicht enden wollenden, ziel- und wahllosen sogenannten Kriegs gegen den Terror, und sie waren Protagonisten einer Lebensform, die diktatorische Willkür mit sozialer Sicherung für die Bevölkerung verband – was im Übrigen für die, denen auch das Internet als Informationsquelle dient, keineswegs neu ist. Ob diese Form der Herrschaft so viel schlechter für die Menschen ist als eine demokratische, die nur mehr als Fassade zur Ruhigstellung ihrer Opfer herhalten muss, steht hier nicht zur Debatte.

Vielmehr geht es darum, wie mediale Manipulation funktioniert, und ein Lehrbuchbeispiel liefert Gereon Asmuth. Ganz viele Fragen, die auf die eine entscheidende zulaufen: „Darf man einen Pakt mit dem Teufel eingehen, um Menschen in Not zu retten …?“ Raffiniert eingefädelt, der latency effect– die besonders wirkungsintensive Botschaft eines letzten Satzes – sitzt: Frau Merkel und ihre MitstreiterInnen können doch gar nicht anders, die wollen doch nur die Menschen in Not …

Halt! Genau diese Absicht, und das versucht dieser Beitrag von der ersten bis zur letzten Silbe zu verschleiern, verfolgen Merkel & Co. nicht, ihr Ziel liegt doch offen genug auf der Hand: Die Menschen sollen zurückgehalten werden, durch Zäune, durch Korridore, durch Auffanglager, und von dort sollen die meisten in ihre Not, in ihre Hoffnungslosigkeit zurückgeschickt werden. Welch ein Hohn, wenn Merkel und Erdoğan Flüchtlinge verschachern und gleichzeitig Zehntausende im Regen, im Matsch, hungernd und frierend und verzweifelt, einen Weg nach Europa suchen. Wenn es um die Not der Menschen ginge, hätte Frau Merkel mit Herrn Erdoğan darüber gesprochen, wie die Lage in den türkischen Flüchtlingsgettos verbessert werden kann und wie man möglichst zügig und mit der notwendigen finanziellen und logistischen Unterstützung dafür sorgt, dass Platz für die geschaffen wird, die nach Deutschland, nach Österreich, nach Nordeuropa wollen.

Noch einmal „Die Anstalt“: 3 Milliarden für Erdoğan, 6 Milliarden für Länder und Kommunen, aber Hunderte Milliarden über Nacht für Banken, und kein Platz für die Hilfesuchenden, obwohl auch in diesem Land, in dem wir alle leben, genug Platz für sie alle wäre, ausnahmslos – was für ein politischer und menschlicher Horror, den Gereon Asmuth uns als „Dilemma“ andienen will, das nicht etwa die zu uns flüchtenden Menschen, sondern die bedauernswerten politischen Entscheidungsträger in Not bringt. Das ist Stimmungsmache, Manipulation, das Gegenteil dessen, was von kritischem Journalismus zu erwarten wäre.

GÜNTER REXILIUS, Mönchengladbach

Was ist los im Land?

betr.: „Pegida im Visier der Behörden“, taz vom 20. 10. 15

Was ist nur mit diesem Land los? Da gibt es eine Flüchtlingskrise, die sicherlich schwierig ist und für die man Lösungen braucht, die aber auch absehbar war und an der wir alle, wie auch an den zukünftigen Klimaflüchtlingen, nicht unschuldig sind und alles dreht komplett am Rad. Das allein zeigt, was für verwöhnte Wohlstandsmenschen wir sind. Nun fallen wieder alle Hemmungen, man hat Angst vor einem Bürgerkrieg, rennt aber denen nach, die diesen wollen, und beschwert sich dann, die „Gutmenschen“ und Flüchtlinge hätten dies provoziert. Rassisten und Faschisten gibt es überall, aber denen zweimal auf den Leim zu gehen, das schafft man anscheinend nur, wenn man Österreicher, Ungar oder Deutscher ist. MARKUS MEISTER, Kassel

Keine neue Erkenntnis

betr.: „Unter Männern“, taz vom 21. 10. 15

Ich verstehe die übertriebene Aufregung über den WM-Skandal nicht. Die Tatsache, dass Fußball ein korruptes Geschäft ist, ist keine neue Erkenntnis, auch wenn dies ein Ärgernis ist und bleibt. JULIA ENGELS, Elsdorf

Ich fühlte mich befreit

betr.: „Ich brauch das (nicht)“, taz vom 20. 10. 15

Ich kann nur allen Menschen empfehlen, bei jeder Anschaffung zu fragen: „Brauch ich das jetzt wirklich?“ Ich bin über unseren Sohn, 29 Jahre, darauf gekommen, als er mir eines Tages bei einem Besuch sagte: „Ich hab hier einen kleinen Topf übrig, kannst du den brauchen? Ich habe einen kleinen Topf, und der reicht mir.“ Da sich unser Haushalt verkleinert hatte, kam mir der kleinere Topf wie gerufen.

Seit dieser Zeit halten wir es so. Ob das Haushaltswaren, manchmal auch Kleidung oder auch Bücher, Handys sind. Das erste Jahr habe ich mir nach einem Blick in meinen Kleiderschrank gesagt: „Dieses Jahr kaufe ich keinerlei Bekleidung.“ Um ehrlich zu sein, musste ich mich gelegentlich mit einem neuen tollen Teil in der Hand daran erinnern, habe es dann weggelegt und fühlte mich befreit. SIBYLLA M. NACHBAUER, Erlangen