Die RAF und der Regen
: Falsches Leben

Ein Tag gehen, drei Tage stehen

Es regnete, als wir nach dem Fußball die Anhalter Straße hochfuhren. B. erzählte von dem Buch, an dem er gerade arbeiten würde. Es ging um die RAF. Natürlich ging es um die RAF. Seit mehr als dreißig Jahren geht es B. um die RAF. Nebenbei vielleicht noch um Bob Dylan, aber vor allem doch um die RAF.

Mit 13 war er in der Marx-Gruppe gewesen, mit 15 hatte er mit der RAF sympathisiert, die Selbstmorde in Stammheim waren seine erste Begegnung mit dem Tod gewesen. Der Staat war der Mörder. Später relativierte sich das. Aber ein bisschen blieb er der RAF doch treu. Jedenfalls bestritt er einen großen Teil seines Arbeitslebens mit diesbezüglichen Recherchen.

Vor wenigen Jahren hätte mich das sofort wieder wütend gemacht. Ich hätte gedacht, wie überflüssig, sentimental und eitel ich es fände, sich immer weiter mit der RAF zu beschäftigen. Nun dachte ich; ja gut, das ist halt dein Ding, da kennst du dich aus. Vielleicht hatte das bei euch auch so doll reingehauen, weil ihr ständig bekifft wart. Das gehörte ja zum Weg hin zur Weltrevolution und fütterte die Paranoia.

In diesem neuen Buch sollten ein paar neue Erkenntnisse der RAF-Forschung stehen; vor allem aber sollte es so werden, dass es auch tagesaktuelle Jugendliche verstehen. Das sei wichtig, sagte M., bevor er abbog. Ich musste noch weiter. Ein Auto fuhr neben mir durch eine große Pfütze. Es war, als wenn jemand das Wasser aus einem Eimer nach mir geworfen hätte. Dem Auto war’s egal. Eigentlich war auch nur die Hose klitschnass. Komischerweise hielt die Kapuzenjacke von H&M das Wasser einigermaßen ab. Die Schuhe waren auch noch halbwegs okay. E., die viele Schuhe besaß, hatte immer lächelnd und mit großer Eleganz gesagt: „Ein Tag gehen – drei Tage stehen.“ Damals im Prater, bei der Falsches-Leben-Show, bei der sie was über Schuhe und ich was über Haschsucht gemacht hatte.

DETLEF KUHLBRODT