Meike Jansen schaut sich in den Galerien von Berlin um

„Hi, welche Nummer bist du?“, war am Freitag während des KünstlerInnenempfangs in der Temporären Kunsthalle wohl die am häufigsten gestellte Frage. Diejenigen der 599 teilnehmenden Kunstschaffenden, die sich der doch ziemlich bekloppten Frage nicht aussetzen wollten, blieben weg oder verschwanden schleunigst. Das Chaos einer überfüllten und damit nicht mehr elitären Preview zu Karin Sanders „Zeigen“-Projekt, auf das viel spekuliert wurde, blieb aus. Nicht aber vermeintliche Demokratie, die an Zeitfestern und Willkür scheiterte. So blieb es beim alten „Du bist drinnen oder draußen“-Spiel mit Einladungskontrolle und Menschen, die miteinander redeten, und Kunst als Randnotiz. Die eigentlichen Bilder entfalten sich diesmal ganz subjektiv, ausschließlich vor dem inneren Auge. Man entdeckt die 599 Audiobeiträge im digitalen Museumsführer – zugänglich über eine dünne Linie aus mehr oder weniger bekannten Namen und den zugehörigen Nummern an den Wänden, über wahlloses Manövrieren durch etwa 18 Stunden Material oder alphabetisches Einkreisen gewünschter Personen. Und Douglas Gordon bringt es dann auf den Punkt: „I do everything you want für 1 minute, 55 seconds. I do everything you want for 1 minute 49 seconds…“ Den Übergang von Demokratie zur Diktatur beschäftigte auch Henry Chopin (1922–2008), einen der ersten Klangkünstler, Poeten und Typografen. 1959 komponierte er das Klangwerk „Le dernier roman du monde“, das er 1970 in einer eigenen Publikation in eine philosophische Linie mit Jaroslav Hašeks bravem Soldaten Schwejk und George Orwells 1984 stellte. Mit dem mal schwingenden, mal krachenden, mit Beatbox-Anteilen gespickten Stück zielt er auf das Ende der Demokratie und die Brutalität des Kapitalismus ab. Beatboxing von 1959, wohlgemerkt! Zu hören bei Supportico Lopez.

■ Zeigen; bis 10. Januar, tgl. 11–18 Uhr, Do. bis 21 Uhr, Temporäre Kunsthalle, Schlossplatz, Eintritt frei! ■ Henri Chopin; bis 23. Januar, Di–Sa 14–19 Uhr, Supportica Lopez, Graefestr. 9