Berlinmusik

Wände aus Gitarren

Es gab mal eine Zeit, in der Wände noch aus Gitarren gebaut wurden, in der sich Molltöne wie von selbst zu einem heimeligen Nest arrangierten. In der die elektronische Klangerzeugung direkt vom Teufel kam. Aus dieser Zeit stammen Empire Escape und ihr zweites Album „You Are Not Alone“.

Okay, eigentlich stammen sie bloß aus den nuller Jahren, als längst entdeckt worden war, dass Gitarren und Computer durchaus miteinander können, Song und Track keine Antipoden sein müssen. Schon 2006 gründete sich Ikaria, die Vorgängerband. Vor vier Jahren hat man sich leicht umbesetzt in Empire Escape umbenannt. Ansonsten ist allerhand beim Alten geblieben, vor allem mollige Melancholie, die jeder Song ausstrahlt,welches Tempo er auch annimmt, ob nun die Gitarren elektrisch oder – eher selten – akustisch sind. Dazu singt Hendrik Schäfer von der Liebe, die er für verschreibungspflichtig hält, von der Magie in den Augen der Liebsten, vom Geschmack der Tränen. Das hört sich auf Englisch natürlich nicht ganz so dämlich an, jedenfalls solange man nicht so genau hinhört. Tatsächlich muss man zugeben, dass in den achtziger Jahren, als Bands wie Simple Minds oder Big Country die Blaupause für diesen Sound entworfen haben, die Texte meist auch nicht tiefgründiger waren. Zudem beweisen diese Bands,indem es sie immer noch oder wieder gibt und sie fleißig auf Tour sind,dass es offensichtlich noch immer einen Bedarf gibt für eingängige Melodien, die von mächtigen Gitarrenwänden umbaut sind.

Wie man mit ganz ähnlichen Instrumenten zu sehr anderen Ergebnissen kommen kann, zeigen The Hands Of The Wrong People auf ihrem neuen Album „Perspective Correction“. Die Band um den seit Jahren in Berlin lebenden, aus Schottland stammenden Dominic Hislop benutzt zwar auch Gitarren und Bass, Schlagzeug und die eine oder andere eingängige Melodie, aber fällt niemals in die Pathosfalle. Die Songs sind hingehuscht wie von den Libertines in ihren besten Momenten, Hislops Gesang wundervoll lakonisch, die Rhythmussektion versucht einen nicht zu überrollen, sondern mit sanfter Freundlichkeit auf den Dancefloor zu stupsen. Indie-Rock mag ein überholtes Konzept sein, aber wenn er so beiläufig und versiert vorgetragen wird, kann er einem doch tatsächlich noch einmal grundsympathisch werden. Thomas Winkler

Empire Escape: „You Are Not Alone“ (VelocitySounds/Broken Silence), 16. 10., Magnet

The Hands Of The Wrong People: „Perspective Correction“