Stahl und Nutella

KUNST In seiner Delmenhorster Ausstellung kombiniert Thomas Rentmeister Strenges und Schmieriges. Die Befassung mit der Geschichte der Galerie überlässt er anderen

Rostiger Stahl und ölige „Patienten“ Foto: Bernd Borchardt

Zum Standard selbstreflexiver Ausstellungsmache gehört es seit einiger Zeit, Bezug zu nehmen auf den Ort, an dem man ausstellt. Häufig wurden da ausgediente Gebäude umgenutzt: Die Bremer Weserburg ist in einer früheren Kaffeerösterei untergebracht, der Langenhagener Kunstverein auf einer Kegelbahn und Hannovers Kestnergesellschaft in einem Schwimmbad. Auch das Gebäude der Städtischen Galerie Delmenhorst, das Haus Coburg, wurde nicht für die öffentliche Präsentation von Kunst errichtet: Nach seiner Fertigstellung im Jahr 1905 war es zunächst bürgerlicher Wohnsitz und Arztpraxis, nach dem Zweiten Weltkrieg war eine Klinik darin eingerichtet.

In diesen Räumen ist nun die Ausstellung „Hostal“ von Thomas Rentmeister zu sehen. Zum Thema nimmt der Künstler in seinen speziell für Delmenhorst entstandenen Installationen die hospitale Geschichte der Städtischen Galerie. Durch das gesamte erste Stockwerk hat er ein zusammenhängendes rostiges Stahlgerüst gezogen: eine geometrisch strenge, klare Konstruktion, wie aus einer Minimal-Art-Ausstellung in den 1970er-Jahren.

Allerdings wird die Konstruktion narrativ: In den Sälen liegen quer über den Stangen kleine Podeste oder Pritschen und darauf verschiedenes organisches Material, das Rentmeister als „seine Patienten“ bezeichnet: ein Haufen Nutella-, ein Haufen Penaten-Creme. Beides riecht ein wenig eigen. Man erkennt diese Gerüche leicht wieder, in kleinen Mengen sind sie angenehm, im Übermaß können sie eklig sein. Auch optisch: Ein riesiger Haufen Nutella, ausgerechnet in einer Art Bett, ist ein fäkales Ding. Gleichzeitig steht der organische Charakter dieser Massen stark im Widerspruch zur geometrischen Strenge der Stahlkonstruktion ebenso wie zur Reinheit der lichtdurchfluteten Ausstellungsräume.

Penaten-Creme ist ein recht robustes Fett, Nutella verdirbt schneller. Beide aber tränken ihre Unterlage mit Fett: Auf dem Holz bildet sich ein öliger Rand. Das war bei der Eröffnung der Ausstellung so, Ende September. Denkbar, dass bis zum Ausstellungsende kunstferne Gesundheitsbeamte die Ausstellungsräume gestürmt haben werden.

Rentmeisters Umgang mit der Geschichte der Städtischen Galerie ist nicht direkt analytisch. Mit Krankenhausbetten, Laken und Mullbinden hat er vorher schon gearbeitet, Nutella und Penaten-Creme gehören zu seinen bevorzugten Materialien. Er erhellt nicht die Geschichte der Villa, entfremdet dem Besucher die Räume vielmehr: Er versetzt ihn nicht irgendwohin zurück, sondern verpflanzt ihn in eine Art Paralleluniversum.

Wirkliches analytisches Arbeiten ist auch gar nicht die Sache des 1964 in Westfalen geborenen Rentmeister, der an der Kunsthochschule Braunschweig unterrichtet. Schon eher ist er für wunderbaren Blödsinn bekannt. So hat er nun um das rostige, geometrisch strenge Etagenbettgestell herum lose ein Paar Porzellanfiguren angeordnet, weiß und unförmig rund, als bestünden sie aus der erwähnten Fettcreme: Schneemänner mit Rübennasen in unterschiedlichen Schmelzstadien. Auch eine Art siechender Patienten. RADEK KROLCZYK

bis 17. Januar 2016, Städtische Galerie Delmenhorst