HAMBURGER SZENE VON AMADEUS ULRICH
: Nicht Omas Liebling

Auf dem Weg zur Uni werde ich immer wieder mit bekloppten Leuten konfrontiert. Irgendwie ziehe ich sie an wie ein Magnet Büroklammern; dabei sitze ich meist nur da und lese friedlich.

Eine ältere Frau steigt ein, fokussiert mich, guckt mich böse an – und pfeift. Ziemlich laut. Sie schubst die Fahrgäste beiseite, hört nicht auf zu pfeifen und lässt ihren Blick nicht von mir. „Kleiner Mann! Steh’ sofort auf“, brüllt sie. „Ihr Männer, immer nur rein, raus, rein, raus“, sagt sie, als sie neben mir steht und bedrohlich mit dem Gehstock fuchtelt. Steh’ ich also auf. Die alte Dame pfeift triumphierend.

Bei der nächsten Haltestelle steigt sie aus. Ich setze mich wieder auf meinen Platz und überschlage die Beine, so dass mein linker Fuß gen Gang zeigt. Keine fünf Sekunden später steigt erneut eine ältere Dame ein, geht an mir vorbei, guckt mich mit einem Todesblick an und kreischt: „Füße runter! Mein schöner Mantel!“ Ich bin zu baff, um ihr etwas zu entgegnen.

Ich gucke ihren Mantel an. Ein lila Fummel, über den sich nicht einmal die Altkleidersammlung freuen würde. Aber das sage ich nicht, bloß nicht provozieren. Lieber durch Schweigen suggerieren, dass man einen Sch … – lassen wir das. Was ist nur los mit den Omas von heute? Ich würde demnächst lieber eine im Bus treffen, die mir Plätzchen schenkt.