Hintern Zug geworfen

Glyposat-Moratorium

Wenn es dereinst mal ein Lehrbuch mit beispielhaft gut gemeinten, aber ebenso exemplarisch nutzlosen Resolutionen geben sollte, hat das, was am Donnerstag die Mehrheit im Kieler Landtag beschließen will, einen Ehrenplatz verdient: Der Antrag mit dem Titel „Moratorium für Glyphosat“ ist ein Muster der Politiksimulation.

Denn: Das Glyphosat-Verfahren läuft schon eine Weile. Richtig Schwung kam in die Diskussion, als Anfang des Jahres die Weltgesundheitsorganisation das weltweit am meisten genutzte Pestizid als „wahrscheinlich krebserregend“ einstufte. Den nächsten Peak erreichte sie, als im August rauskam, dass das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) die Studien, die zu dieser Warnung führten, nicht in seine Bewertung einfließen lassen hat: Noch am 29. September haben sich deshalb im Agrarausschuss in Berlin der Bremer Epidemiologe und Gesundheitsökonom Eberhard Greiser und BfR-Chef Andreas Hensel extrem gezofft.

Die BfR-Haltung ist wichtig, weil es federführend im Glyphosat-Verfahren der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ist, aufgrund deren Empfehlung die EU-Kommission entscheidet: Bekommt der Stoff, dessen Zulassung am 31. Dezember ausläuft, eine neue. Oder nicht.

Okay, kann man sagen, der Landtag hat’s nicht in der Hand, möchte aber eine Forderung artikulieren, das ist doch legitim: Die Landesregierung solle „sich dafür einsetzen, dass ein Moratorium für Glyphosat in der EU ausgesprochen wird“, und zwar mindestens bis zur Entscheidung über die Erneuerung der Zulassung. Allerdings: Schon am 22. September hat ja eine Mehrheit im Brüsseler Lebensmittelkette-Ausschuss eine Übergangsregelung beschlossen: Die Glyphosat-Genehmigung musste ein halbes Jahr ausgedehnt werden, weil das Prüfverfahren länger dauert als geplant.

Das klingt juristisch erst mal plausibel. Damit wäre die Forderung nach einem Moratorium, wäre sie in einem älteren Antrag formuliert worden, wohl obsolet gewesen. Das von den drei Regierungsparteien verfasste Dokument aber trägt das Datum vom 30. September: Da war der Zug schon seit einer Woche abgefahren, hinter den sich jetzt die Landtagsmehrheit schmeißt. Aber wenigstens nimmt sie dann keinen Schaden. bes