Mit den Beatles ins Leere

Das Bigband-Format gehört im Jazz zu den aussterbenden Arten. Von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einmal abgesehen, die sich mitunter noch ein Großensemble leisten, wird es für freischaffende Musiker immer schwieriger, den nötigen Aufwand zu stemmen. Drei, vier Musiker kann man schon mal auf Tour schicken und irgendwie für deren Unterkunft sorgen. Doch 16?

In genau dieser Anzahl musiziert derzeit das Projekt Lauer Large des Berliner Posaunisten und Komponisten Johannes Lauer. Mit Daniel Glatzels ähnlich umfangreichem Andromeda Mega Express Orchestra, in dem Lauer ebenfalls mitspielt, bildet Lauers Improvisationsensemble eine echte Ausnahme in der deutschen Jazzlandschaft. Und einen weiteren Beleg dafür, dass Bigband nicht zwangsläufig wie Glenn Miller klingt.

Auf dem zweiten Lauer-Large-Album „Less Beat More!“ tritt Lauer zudem den Beweis an, dass Jazz-Versionen von Beatles-Songs keine peinlich berührende Angelegenheit sein müssen, sondern ziemlich witzig sein können. Es kommt eben immer auf den Grad der Freizügigkeit und der Fantasie an, mit denen man sich der Vorlage nähert. Lauer hat von beidem genug, um nicht bei einem bemühten Tribut zu landen.

Statt Arrangements oder Bearbeitungen bekannter Songs inklusive der obligatorischen Soli gibt es bei ihm klug ausgewählte Motive einzelner Songs, mehrheitlich vom „White Album“, die er lustvoll mit wüsten Ausbrüchen anreichert, sich mächtig steigern oder einfach ins Leere laufen lässt. Dazwischen passiert allerhand, das von den Musikern selbst stammt oder aber die Zitate so geschickt variiert, dass nichts mehr von ihnen übrig bleibt.

Meistens kann man jedoch Spuren der Originale finden, selbst wenn man die Titel erst einmal richtig „übersetzen“ muss. Aus „Everybody’s Got Something to Hide Except Me and My Monkey“ wird bei Lauer schlicht „Affenmusik“, „Helter Skelter“ heißt hier „Werde Wirst Willst“ und „Yer Blues“ passenderweise „Wenn ich noch nicht gestorben bin“ – nach der Textzeile „If I ain’t dead already“. Am Rande tauchen Bruchstücke aus „Let It Be“ oder „Strawberry Fields Forever“ auf, die zu entdecken immer wieder Freude macht. Man muss schon ein sehr verbiesterter Beatles-Fan sein, wenn man sich mit Lauers Fortspinnungen so gar nicht anfreunden mag.

TIM CASPAR BOEHME

■ Lauer Large: „Less Beat More!“ (Jazzwerkstatt); Johannes Lauer Trio live: 23. 1., Quasimodo & 29. 1., Kollektiv Nights, Naherholung Sternchen