Ethik Pflicht – Religion Kür

Ethikunterricht soll in Berlin ab kommendem Schuljahr Pflichtfach werden. Den frischen Entwurf des Rahmenplanes diskutiert der Schulsenator heute zuerst mit den Kirchen. Das kritisieren PDS und SPD

VON ALKE WIERTH

Ethik soll an Berlins Schulen Pflicht, Religion dagegen Kür sein – so will es der Berliner Schulsenator Klaus Böger (SPD). Ab dem kommenden Schuljahr 2006/07 soll Ethik als Pflichtfach ab der 7. Klasse unterrichtet werden. Ein Rahmenlehrplan für den Werteunterricht soll Ende dieser Woche vorgelegt werden. Heute wird Schulsenator Böger den Entwurf zunächst mit Vertretern der Kirchen diskutieren.

Denn bei denen ist das neue Fach nach wie vor umstritten. Die Kirchen lehnen die Einführung von Ethik jedenfalls als Pflichtfach ab. Sie fordern ebenso wie CDU und FDP, den bisher freiwilligen Religionsunterricht als gleichberechtigtes Wahlpflichtfach neben dem Ethikunterricht anzubieten. Schülerinnen und Schüler müssten sich dann zwischen einem der beiden Fächer entscheiden.

Dass der Schulsenator den bisher unveröffentlichten Entwurf des Rahmenplans für das neue Fach Ethik zuerst mit den Kirchen debattiert, ist bei Bildungspolitikern der PDS, aber auch seiner eigenen Partei schlecht angekommen. Sie haben zusammen mit den Grünen ein „Forum Gemeinsames Wertefach für Berlin“ gegründet. Schirmherr des Forums ist Walter Momper, der Präsident des Abgeordnetenhauses. Neben Politikern gehören ihm auch Vertreter der GEW, des Fachverbandes LER sowie der Humanistischen Union an.

An der Einführung des Ethikunterrichtes als Pflichtfach haben die im Forum vertretenen Bildungspolitiker und -experten anders als die Kirchen nichts auszusetzen. Ihnen geht es um Inhaltliches: Das Fach solle Raum bieten, „andere Lebensorientierungen, Religionen und Weltanschauungen verstehen und respektieren zu lernen“, fordern sie. Sie wollen eine breite öffentliche Debatte um die Lerninhalte des neuen Faches anregen – auch um den von der Schulverwaltung ausgearbeiteten Rahmenlehrplan (siehe Interview unten).

Die Debatte um den Werteunterricht hat in Berlin eine jahrelange Tradition. Vor fünf Jahren erstritt sich die Islamische Föderation Berlin nach langem Prozessieren das Recht, an Berliner Schulen islamischen Religionsunterricht zu erteilen. Seither fordern Kritiker, den von den Religionsgemeinschaften selbst erteilten, bekennenden Religionsunterricht durch einen konfessions- und weltanschauungsübergreifenden Werteunterricht zu ergänzen oder zu ersetzen.

Den bisher ausschließlich an Grundschulen erteilten Religionsunterricht der Islamischen Föderation besuchen nach deren Angaben derzeit rund 3.600 Kinder. Auch die muslimischen Aleviten und die Buddhisten bieten mittlerweile an einigen Berliner Schulen Religionsunterricht an. Den freiwilligen Unterricht der christlichen Kirchen besuchen 114.000 Schüler. Das sind 700 mehr als im vergangenen Schuljahr. Derzeit laden die Kirchen in Gottesdiensten und Schulen zu einer „Woche im Zeichen des Religionsunterrichtes“ ein, um ihrer Forderung nach Religion als gleichberechtigtes Wahlpflichtfach Gehör zu verschaffen.