KUNST

schaut sich in den Galerien von Berlin um

MARCUS WOELLER

Ludwig van Beethoven hat bekanntlich schlecht und irgendwann nichts mehr gehört. Sein auditives Vorstellungsvermögen war von der Taubheit aber nicht betroffen. Die vier Kammermusiker, die Annika Kahrs für ihr Video „Strings“ zur gemeinsamen Aufnahme bestellte, haben keine Probleme mit den Ohren. Sie sind professionell ausgebildet und können ihre eigene Musikalität mit dem ihrer Mitmusikanten harmonisieren. Die Virtuosität der klassischen Konzertmusik lebt von dieser Fähigkeit, Hören und Spielen immer wieder miteinander anzugleichen. Auf sehr elegante Weise gelingt es Kahrs, die an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg studiert hat, die Musiker beim geübten Spiel einer Beethoven-Partitur dennoch aus dem Tritt zu bringen. Sie verursacht eine nachhaltige Störung, die nicht nur die Notensicherheit und das Zusammenspiel irritiert, sondern auch die Blase von ernsthafter, autarker Kunstproduktion zum Platzen bringt, die zum Image der klassischen Musik gehört. Kahrs bat die Musiker, nach einer gewissen Zeit die Plätze zu tauschen und das Instrument des Nachbarn weiterzuspielen. Natürlich kann auch der Violinist das Cello bedienen, so virtuos wie die Geige spielt er es aber nicht. Und so büßt die Aufführung an Harmonie ein, und der hehre Anspruch an die Meisterschaft geht langsam, aber sicher flöten. Ganz im Fluxus-Sinne hat Kahrs mit einer sehr einfachen Handlungsanweisung ein funktionierendes System humorvoll außer Kraft gesetzt. Für „Strings“, das Video ist zurzeit bei Tanas zu sehen, hat sie den George-Maciunas-Förderpreis gewonnen, der an den Gründer der Fluxus-Bewegung erinnert (bis 2. März, Heidestr. 50, Di.–Sa. 11–18 Uhr). Olafur Eliasson kennt man als eher ernsthaften Künstler, der nichts der spontanen Intuition überlässt. Höchstens dem Zufall. Der muss dann aber schon Jahrmillionen Zeit haben, um sich auszutoben. Für „Volcanoes and Shelters“ hat er sich in die Natur Islands begeben und dort Vulkankegel und Kraterstümpfe fotografiert. Die Bilder ordnet er bei Neugerriemschneider zu typologischen Reihungen von Landschaften, bei denen die Geologie Bildhauer gespielt hat. In gleicher Weise nähert er sich hölzernen Zufluchtshütten, die über die gesamte Insel verstreut sind. Die einfachen Bauten verleihen dem Naturzustand plötzlich menschlichen Maßstab. Der Raumexperimentator Eliasson hat sich aber keineswegs in die schlichte Dokumentation des Landes, in dem er aufwuchs, zurückgezogen. Die Felsskulpturen und Zweckarchitekturen inszeniert er wie Readymades, die als Sinnbilder für eine performative Vergangenheit stehen, sei sie nun geografischer oder sozialer Natur (bis 26. Januar, Linienstraße 155, Di.–Sa. 11–18 Uhr).