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"Knick nicht aufgeholt"

ALTERSARMUT Hamburgs Landesfrauenkonferenz setzt sich für eine gerechtere Mütterrente ein

Karin Wöhrmann

Foto: privat

56, Juristin, ist seit 1997 Landesgeschäftsführerin des Hamburger Sozialverbands Deutschland e.V. (SOVD).

taz: Frau Wöhrmann, warum ist die Mütterrente ungerecht?

Karin Wöhrmann: Wir halten sie für ungerecht, weil es eine Unterscheidung in Ost und West gibt. Kindererziehung ist im Westen mehr wert als im Osten: derzeit sind es im Westen 29,21 Euro pro Kind und Monat, im Osten sind es 27,05 Euro.

Davon leben kann man in beiden Teilen Deutschlands nicht. Ist Ihr Kampf um gleiche Rente ein symbolischer?

Nein. Es geht darum, dass die Erziehungsleistung – die nach wie vor von Frauen wahrgenommen wird – nach wie vor nicht gewürdigt wird. Ungerecht ist auch, dass für Kinder, die vor 1992 geboren sind, zwei Jahre angerechnet werden, nach 1992 sind es drei Jahre. Das Groteske ist: bei einer Frau, die Grundsicherung bezieht, wird die Mütterrente damit verrechnet. Diejenigen, die es am bittersten nötig hätten, haben nichts davon.

Die Wirtschaft entdeckt gerade die weibliche Arbeitskraft. Verfestigt sich damit die Geringschätzung der häuslichen Erziehungsarbeit?

Alle sozialen Bereiche, sei es Erziehung oder Pflege, werden von der Entlohnung her nicht wertgeschätzt – und all das sind Bereiche, in denen überwiegend Frauen tätig sind.

Wird sich die Frage nach der Mütterrente insofern erledigen, als Frauen zunehmend berufstätig sind?

Wir haben eine Zunahme der Erwerbstätigkeit von Frauen, keine Frage. Aber guckt man dahinter, dann sind Frauen primär in prekärer Beschäftigung, das heißt Teilzeit oder in geringer Entlohnung beschäftigt.

Aber inzwischen gibt es doch zahlreiche hoch qualifizierte berufstätige Frauen.

Natürlich: Wenn ich hoch qualifiziert bin, verdiene ich mehr. Aber der Knick kommt in dem Moment, sobald Familie gegründet wird. Und dieser Knick wird nicht aufgeholt.

Was raten Sie den Frauen?

Wir müssen schon in der Schule anfangen, sowohl bei den Mädchen als auch bei den Eltern, dafür zu werben, dass es wichtig ist, dass sich Frauen eine eigenständige Alterssicherung aufbauen, dass sie sich nicht auf den Mann verlassen.

und sich zwischen Vollzeitstelle und Familie aufreiben?

Wir brauchen fraglos eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Da sind die Arbeitgeber gefragt.

Interview: Friederike Gräff

Tagung der Landesfrauenkonferenz des Hamburger Sozialverbands Deutschland (SOVD) zu Alters- und Frauenarmut: 14.30 Uhr, Bürgertreff Altona, Gefionstraße 3