EINE ERHÖHUNG DER ZINSEN DURCH DIE EZB WÄRE FALSCH
: Geschäft mit der Angst

Die Europäische Zentralbank EZB schürt die Angst vor einem Phantom: Inflation. Doch Angst war noch nie ein guter Ratgeber. Die angedrohte Zinserhöhung der EZB würde dem aufkeimenden wirtschaftlichen Aufschwung in Europa einen Dämpfer verpassen. Sie wäre deshalb falsch.

Zwar liegt die Teuerungsrate im europäischen Durchschnitt derzeit mit 2,5 Prozent über dem selbst gesteckten Ziel von unter zwei Prozent. Doch wer zum jetzigen Zeitpunkt das Inflationsgespenst beschwört, verkennt die Lage auf dem europäischen Binnenmarkt. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet argumentiert mit der Furcht vor Lohnerhöhungen aufgrund der hohen Energiepreise. Doch mit übertriebenen Lohnforderungen ist in einer Zeit des Jobabbaus wahrlich nicht zu rechnen.

Problematischer als die Inflationsängste sind in diesem Zusammenhang die Statuten der Europäischen Zentralbank: Stramm der monetaristischen Glaubensschule verpflichtet, exerziert sie das Motto „Geldstabilität um jeden Preis“ durch – auf Kosten von Wachstum und Beschäftigung. Anders die Zentralbank der USA, die qua Statut verpflichtet ist, neben der Preisstabilität auch das Wachstums- und Beschäftigungsziel aktiv zu fördern. Das demonstriert die „Fed“ seit den 90er-Jahren erfolgreich – und kann seitdem mit einer höheren Inflation ganz gut leben.

Die EZB schert das wenig. Denn in ihrer Denkschule gibt es keine Wechselwirkung zwischen Geldpolitik und Arbeitslosigkeit – ein fataler Irrtum. Dabei waren wir in Deutschland schon einmal weiter: Das Stabilitätsgesetz von 1967 verpflichtete die Wirtschaftspolitik zu einer gleichberechtigten Berücksichtigung von Preisstabilität, hoher Beschäftigungsquote und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht.

Eine Zinserhöhung in der jetzigen Lage würde nur den ideologischen Tunnelblick der EZB untermauern. Nötiger denn je wäre aber eine europäische Diskussion über ihre Aufgaben und Ziele. Dazu gehört auch langfristig die Flankierung der Geldpolitik durch eine europäische Steuer- und Fiskalpolitik. TARIK AHMIA