Politische Satire, die wehtat

NACHRUF Der Regisseur und Autor Volker Kühne ist tot. Das Kabarett wurde durch ihn zur bissigen Kunst

Volker „Folter“ Kühn Foto: dpa

Sammy Drechsel, legendärer Chef und Entertainer der berühmten Münchner „Lach- und Schießgesellschaft“, hat Volker Kühn einmal ein paar „Tricks“ verraten, wie man am besten Regie mit Kabarettisten – weil lauter schwierige Künstler – führt: „Sorge dafür, dass die Heizung geht, sei nett und bring immer frische Brötchen mit, dann machen sie, was du möchtest.“

Kühn hat den Rat „manchmal beherzigt“, wie er später schmunzelnd erzählte. Die Ensemblemitglieder des Berliner „Reichskabaretts“ oder der „Wühlmäuse“ liebten ihn. Seine Kabarettprogramme gehörten zum Feinsten, was man auf deutschen und speziell Berliner Kleinkunst-Bühnen zwischen 1960 und 1980 zu sehen bekam.

Kühn schrieb insbesondere in den 1970er Jahren für die Crème de la crème des politischen Kabaretts als Autor die Texte und Songs: für Lore Lorentz, Wolfgang Neuss und Jürgen von Manger oder Dieter Hildebrandt. Die schlugen sich wacker auf den Bühnen in Berlin, Düsseldorf oder München. Kühn selbst stand weniger im Rampenlicht. Populär war der Mann, der im Hintergrund die Fäden zog, nicht. In der Nacht zum Sonntag ist der Theaterregisseur, Autor, Historiker und Filmemacher mit 81 Jahren in Berlin gestorben.

Volker Kühn, der aus Osnabrück ins unruhige 68er-Berlin kam, war ein Ausnahmetalent in der Kleinkunst. Er kannte sich aus in der deutschen Kabarettgeschichte, kannte die Nachlässe der Künstler von vor 1933 und nach 1945, wusste, wie man Pointen setzt. Dem spießigen Kabarett der Adenauer-Ära begegnete er mit linken, gesellschaftskritischen Themen, ätzendem politischem Witz und einer bissigen Satire, die wehtat. „Folter-Kühn“ wurde Volker Kühn auch genannt. Er machte gemeinsam mit Volker Ludwig (Grips) die Form des Kabaretts – wie in der Weimarer Zeit – wieder schnell, laut und aggressiv. „Wir wollten alles verändern“, sagte er einmal.

Zu seinen erfolgreichsten Programmen zählte damals „Der Guerilla läßt grüßen“ mit Renate Küster und Joachim Kemmer, welches das Reichskabarett im wilden Berlin der Studentenkrawalle 1968 auf die Bühne brachte.

Kühn war von 1963 bis 1973 TV-Redakteur beim HR, als Fernsehmacher entwickelte er 1973 gemeinsam mit Dieter Hildebrandt die subversive ZDF-Satire „Notizen aus der Provinz“. Bis 2013 führte Kühn, der schwer erkrankt war, noch Regie am Renaissancetheater.

In die Schlagzeilen geriet er dann doch noch: 2008 legte er sich mit Johannes Heesters und dessen NS-Geschichte an. Hees­ters klagte auf Unterlassung. Das Gericht entschied, dass Kühn weiterhin öffentlich erklären durfte, dass Heesters 1941 im KZ Dachau aufgetreten war. Er behielt auch hier quasi die Lacher auf seiner Seite. ROLF LAUTENSCHLÄGER