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Die Rhythmuspoeten

FUNK Experimentell & aufregend: die Gebrüder Max und Jan Weissenfeldt und ihre neuen Alben

Im Dachgeschoss eines alten Kreuzberger Fabriklofts, direkt am Spreeufer, öffnet mir Max Weissenfeldt die Tür. Der 40-jährige Schlagzeuger ließ sich hier vor einigen Jahren nieder. Er betreibt ein eigenes Label und Tonstudio, in dem das neue Album seiner Band Polyversal Souls entstanden ist. Im Studio liegen Hölderlin-Gedichtbände neben Sun-Ra-Alben, Vintage-Synthesizer stehen auf Perserteppichen. Kürzlich war der finnische Produzent Jimi Tenor zu Besuch.

In den neunziger Jahren legte Max gemeinsam mit seinem Bruder Jan Weissenfeldt und ihrer Band Poets of Rhythm den Grundstein für ein Deep-Funk-Revival. Ohne die Poets, sagte Gabe Roth vom US-Label Daptone einmal, wäre seine Plattenfirma nicht vorstellbar gewesen, und damit auch keine Sharon Jones und keine Amy Winehouse.

Inzwischen gehen die Brüder getrennte Wege, beide haben jüngst neue Platten veröffentlicht. Heute klingelt das Telefon von Max Weissenfeldt eher, wenn etwa Dan Auerbach die Garagen-Funk-Drums für Lana Del Rey braucht – auch das besorgt Weissenfeldt.

Münchner Jungs

Angefangen hat alles mit dem Hip-Hop der „Goldenen Ära“, Ende der achtziger Jahre. Und mit der Neugier dieser Münchner Brüder, die ganz genau wissen wollten, woher die Samples auf den Alben ihrer rappenden Helden stammten. Jan und Max waren stets auf der Suche nach dem perfekten Beat. Sie reisten nach England und in die USA, um rare Funk-Singles zu ergattern. Schließlich spielten sie den Sound von James Brown und den Meters nach: Max am Schlagzeug, Jan an der Gitarre, Kumpel Boris am Mikrofon – die Alben der Poets of Rhythm waren weltweit gefragt.

Nach zwei Alben und unzähligen Konzerten lebten sich die Brüder auseinander. Max ging mit den Münchner Krautrockern von Embryo auf Tour, Jan zog nach Amerika. Erst 2005 kamen sie noch einmal für einige Gigs zusammen. Eine zweite Reunion der Poets in Originalbesetzung halten beide nicht gänzlich für ausgeschlossen, Festivalbetreiber buhlen bereits um sie.

Die unter dem Signet Poets of Rhythm veröffentlichten Alben sind genau wie ihre aktuellen Werke nicht als Retrophänomene zu verstehen. Zwar emulieren sie alte Sounds, doch sie betrachten ihn durch eine HipHop-Perspektive und fügen Elemente aus verschiedenen Kulturen und Stilen wie Samples neu zusammen. „HipHop wird im Unterbewusstsein immer mein Haupteinfluss sein“, erzählt Jan am Telefon. „HipHop ist für mich eine Ästhetik, ein Groove.“ Gerade hat er mit dem Saxofonisten Johannes Schleiermacher eine experimentelle Synthesizer-Platte veröffentlicht, die an Krautrock-Pioniere wie Ash Ra Tempel oder Popul Vuh erinnert. Sie nennen sich Rodinia, nach dem Urkontinent, aus dem sich die heutigen Kontinente erst entwickelten. „Rodinia steht für die Sehnsucht nach der Zeit, als alles eins war und es noch keine Grenzen gab.“

Max hat soeben das Album „Invisible Joy“ mit der Berliner Band Polyversal Souls veröffentlicht: Ein aufregender Stilmix aus afrikanischen, karibischen und US-amerikanischen Elementen mit Fokus auf tradi­tio­neller ghanaischer Folkmusik und ghanaischen Sängern. Das Album stammt musikalisch aus einer ganz anderen Welt als Rodinia, doch in der Geisteshaltung dahinter gibt es Parallelen. Max sieht seine Band als gelebtes Kosmopolitentum: „So wie die Ghanaer es geschafft haben, den Tribalism zu überwinden, so würde ich es mir für die ganze Menschheit wünschen. Wir sollten endlich beginnen, uns als Weltgesellschaft wahrnehmen.“ Stephan Szillus

Polyversal Souls: „Invisible Joy“ (Philophon/Groove Attack)

Rodinia: „Drumside/Dream­side“ (Now Again/Groove Attack)

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