Foodwatch kritisiert EU-Kommission: Lecker Thunfisch mit mehr Gift
Der Verbraucherorganisation Foodwatch zufolge will die EU-Kommission die Grenzwerte für Quecksilber in Raubfischen anheben. Die seien aber schon belastet.
BERLIN afp | Die Europäische Kommission will die Grenzwerte für Quecksilber in großen Raubfischen verdoppeln und den Verbrauchern damit eine deutlich höhere Dosis des Nervengifts zumuten. Die Verbraucherorganisation Foodwatch, der ein entsprechendes Arbeitspapier der EU vorliegt, kritisierte die Pläne scharf: „Risiken und Nebenwirkungen verfehlter Industrie- und Umweltpolitik werden mit voller Wucht an Schwangere und Kleinkinder weitergereicht“, erklärte Matthias Wolfschmidt von Foodwatch am Mittwoch in Berlin.
Wolfschmidt zufolge sollen die Grenzwerte des Nervengiftes für große Fische am Ende der Nahrungskette wie etwa Thun- oder Schwertfisch aus „wirtschaftspolitischen Gründen“ von einem auf zwei Milligramm Quecksilber je Kilogramm Fisch angehoben werden. Große Raubfische seien aber schon heute so stark mit Quecksilber belastet, dass auf Grundlage der noch geltenden Grenzwerte etwa 50 Prozent der Fänge nicht verkauft werden dürfen. Nach Verdoppelung der Grenzwerte wären dann nur noch 14,5 Prozent unverkäuflich.
Im Gegenzug für dieses Lockerung will die EU laut Foodwatch die Grenzwerte bei anderen Fischen von derzeit 0,5 Milligramm auf 0,1 Milligramm Quecksilber pro Kilogramm verschärfen. Foodwatch bezeichnete dies aber als „Trick“, weil kleinere Friedfische, wie etwa Karpfen meist so niedrig belastet sind, dass sie die geplanten Höchstwerte bereits heute einhalten. Die Absenkung bei Kleinfisch sei deshalb „ein perfides Ablenkungsmanöver, das allein der Wirtschaft hilft“, erklärte Wolfschmidt.
Quecksilber ist ein für den Menschen hochgiftiges Schwermetall, das sich über die Nahrungskette vor allem in Raubfischen stark anreichert. Die Bundesregierung warnt deshalb davor, dass „bereits geringe Mengen besonders bei Ungeborenen Schädigungen des Nervensystems“ verursachen können. Das Bundesumweltministerium erklärt auf seiner Homepage im Hinblick auf die geltenden Höchstwerte aber, dass eine „gesundheitliche Gefährdung der Allgemeinbevölkerung“ nicht zu erwarten sei.
Quecksilber gelangt vor allem durch die Kohleverbrennung in die Umwelt. Die deutschen Kohlekraftwerke stoßen laut einer schriftlichen Auskunft des Bundesumweltministeriums an die Grünen-Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock mehr als sechs Tonnen Quecksilber im Jahr aus, zwei Drittel der in Deutschland emittierten Gesamtmenge. Die Konzentration von Quecksilber in Fischen etwa in Elbe, Rhein und Donau sei „dauerhaft und flächendeckend überschritten“, hatte der „Spiegel“ im März aus dem Papier zitiert.
Im vergangenen Jahr zählten europaweite Warnungen vor Quecksilber in Fisch bereits zu den häufigsten gemeldeten Gesundheitsrisiken im EU-Warnsystem RASFF.
Leser*innenkommentare
wxyz
Die Grenzwerte anheben wird für sich alleine ziemlich nutzlos sein, wenn die Begründung dafür sein soll, daß eine Verdoppelung der Grenzwerte gesundheitlich unbedenklich wäre. Um auch geglaubt zu werden, müssen zusätzlich auch die bisher erfaßten statistischen Daten umgebastelt werden, und das Ganze muß dann noch obendrein monatelang durch die Medien gejagt werden. Nur so kann es klappen.
Doch daraus würde ein anderes Problem entstehen, denn die danach herbeiziertierten sog. Experten müßten sich eine Menge einfallen lassen, um zu begründen, warum etwas völlig anderes schuld ist an zukünftig ansteigenden Gesundheitsproblemen aufgrund von Quecksilberbelastung. Denn daß zu dünne Schuhsohlen oder vermehrt auftretende Erdstrahlen oder die Außerirdischen daran schuld sind, werden vermutlich nur ganz wenige glauben.