heute in Bremen
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„Rassistisch motiviert“

POLIZEI Ein Fachtag soll sich mit diskriminierenden Kontrollen befassen – dem „Racial Profiling“

Martin Herrnkind

Foto: Miguel Ferraz

52, ist Diplomkriminologe und Polizei-Experte bei Amnesty International.

taz: Herr Herrnkind, die Bundesregierung ist überzeugt, dass es keinen strukturellen Rassismus in deutschen Behörden gibt. Liegt sie richtig?

Martin Herrnkind: Nein, tut sie nicht. Wir haben Erkenntnisse, dass Minderheiten von der Polizei überproportional häufig kontrolliert werden. Zum einen, weil rassistische Vorurteile, wie sie in der deutschen Gesellschaft verankert sind, auch bei Polizeibeamten unbewusst vorhanden sind oder sogar bewusst vertreten werden. Zum anderen ist der Rassismus aber auch schon institutionalisiert.

Wie sieht ein typischer Fall von „Racial Profiling“ aus?

Der berühmteste Fall wurde vor dem Verwaltungsgericht Koblenz verhandelt. Ein junger Student wurde auf dem Weg nach Hause von Polizisten gefragt, wohin seine Reise geht und daraufhin kontrolliert. Er vermutete dahinter eine diskriminierende Maßnahme. Ins Raster gefallen war er, weil er eine andere Hautfarbe hatte. Das ist ein exemplarisches Beispiel für anlasslose Kontrollen, die tagtäglich vorkommen – etwa in Zügen und an Bahnhöfen, aber auch in Parks, wo Polizisten oft Drogengeschäfte vermuten.

Das Bundespolizeigesetz sieht aber Kontrollen zur Verhinderung von illegal Einreisenden vor. Ist das nicht die Legitimation für solche Kontrollen?

Das hat das Verwaltungsgericht Koblenz zumindest so gesehen und die Hautfarbe als angemessenes Kriterium für den Eingriff bewertet. In zweiter Instanz sah das Oberverwaltungsgericht in Rheinland-Pfalz darin jedoch einen Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes – dem Gleichheitsgebot. Aus unserer Sicht ist jede Kontrolle, die die Hautfarbe als Anlass heranzieht, als Racial Profiling zu bewerten – sofern Zeugen nicht schon im Voraus Hinweise auf eine Straftat geben können.

Wie lässt sich Racial Profiling verhindern?

Wir fordern die Streichung des entsprechenden Paragraphen im Bundespolizeigesetz. Gleichzeitig müssen vergleichbare Normen in den Landespolizeigesetzen überprüft werden. Da gibt es einige, die anlasslose Kontrollen rechtfertigen.

Die Bremer Polizei stellt sich der Diskussion. Hilft das?

In Deutschland ist die Bremer Polizei die einzige, die sich dieses Themas proaktiv annimmt. Bereits vor zwei Jahren fand dazu ein Fachtag statt. Seitdem hat sich die Zahl der Fälle drastisch reduziert. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Bundespolizei streitet Racial Profiling hingegen immer noch ab – ganz nach dem Motto: Das gibt es nicht, deshalb diskutieren wir nicht.

Interview: Laurin Meyer

Fachtag zu „Racial Profiling“: 10 Uhr, DGB-Haus Bremen