Kranich vor dem Abflug

LUFTVERKEHR Nicht profitabel genug: Die Lufthansa verlässt Berlin und überlässt das Geschäft auf innereuropäischen Verbindungen ihrer Billigflug-Tochter Germanwings

„Wir reagieren auf die wachsende Preissensibilität der Kunden“

Lufthansa-Chef Franz

VON SEBASTIAN HEISER

Die Lufthansa streicht ab Sommer alle Flüge von und nach Berlin. Das Unternehmen wird die Stadt dann nur noch mit seiner Billigflug-Tochter Germanwings anfliegen. „Wir reagieren damit auf die wachsende Preissensibilität der Kunden“, sagte Lufthansa-Chef Christoph Franz am Donnerstag auf einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer. Aktuell starten an einem Wochentag rund 60 Lufthansa-Flüge in Berlin. Der neue Flugplan sei Teil der Konzernstrategie, Lufthansa-Flüge in Deutschland auf die beiden Drehkreuze Frankfurt und München zu beschränken und alle innereuropäischen Flüge über Germanwings abzuwickeln. Dazu werden unter anderem 30 Lufthansa-Flugzeuge in den Germanwings-Farben umlackiert.

Die Lufthansa reagiert mit der Billig-Offensive auf ihre roten Zahlen auf den Europastrecken. „Wir sind derzeit in unserem Kerngeschäft nicht profitabel“, sagte Franz. Das Problem für Lufthansa ist dabei die zunehmende Konkurrenz durch Billig-Fluglinien wie Easyjet. Die Reisenden, die auf Kurzstrecken fliegen, haben sich offenbar so an die günstigen Preise gewöhnt, dass sie nicht bereit sind, Lufthansa-Preise zu bezahlen. Und die Lufthansa will ihr Niveau bei Komfort und Service nicht so weit senken, dass sie mit den Billigfliegern beim Preis konkurrieren könnte – denn das würde den guten Ruf der Marke Lufthansa ruinieren. Also zieht der Konzern seine Marke Lufthansa von den besonders hart umkämpften innereuropäischen Strecken ab und nimmt dort den Preiskampf mit seiner Billigmarke Germanwings auf. Von der Umstrukturierung sind rund 1.000 Mitarbeiter betroffen, davon mehr als 800 Flugbegleiter und Piloten. Wer nicht zur Germanwings wechseln will, muss an die Lufthansa-Drehkreuze gehen oder den Konzern gegen Abfindung verlassen.

Vor allem Geschäftskunden von Lufthansa müssen sich künftig umstellen. Bei Germanwings gibt es keine abgetrennte Businessclass. Gegen Aufpreis kann man allerdings in einer Sitzreihe mit mehr Beinfreiheit Platz nehmen, ein eigens reserviertes Handgepäckfach benutzen, besseres Essen bestellen und beim Boarding zuerst einsteigen.

Franz bedauerte, dass der Flughafen Tegel nun noch länger bis zur Eröffnung des neuen Flughafens betrieben werden muss. Dabei sei Tegel längst an der Kapazitätsgrenze. „Hier muss jetzt Geld in die Hand genommen werden, damit wir in den nächsten ein bis zwei Jahren einen stabilen Flugbetrieb gewährleisten können“, forderte Franz. Bei den Gepäckförderanlagen brauche es etwa neue Investitionen. Der 1974 eröffnete Flughafen Tegel war für sechs Millionen Reisende pro Jahr konzipiert. Nach mehreren Erweiterungen wurden dort im vergangenen Jahr 18 Millionen Passagiere abgefertigt.

Die Flughafengesellschaft kündigte am Nachmittag an, in Tegel mehr Mitarbeiter einzusetzen. Damit solle die Situation für Passagiere und Fluggesellschaften entspannt werden. Außerdem werde daran gearbeitet, welche weiteren Ertüchtigungsmaßnahmen sinnvoll seien. Geplant sind Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe.

Für Lufthansa-Chef Franz ist das BER-Debakel kein Grund, vollkommen schwarz zu sehen. „Es entspricht der deutschen Mentalität, dass wir besonders kritisch mit Problemen umgehen“, sagte er. Auch anderswo seien Großprojekte nicht so schnell wie geplant fertig geworden – als Beispiele nannte er den Suezkanal, den Eurotunnel, den Panamakanal und den Gotthardtunnel. Die Erfahrung zeige: „Wenige Tage, nachdem die neue Infrastruktur eröffnet, ist die lange Wartezeit vergessen.“