Brüssel schläft, Berlin bremst

PKW EU und USA wollen Autos nicht nur im Labor, sondern auch auf der Straße überprüfen lassen. Warnungen vor Testmanipulationen bereits vor zwei Jahren

Im richtigen Straßenleben: VW Passat in Wolfsburg Foto: dpa

von Eric Bonse

BRÜSSEL taz | Die EU und die USA wollen nach dem VW-Dieselgate die Abgastests für Autos verschärfen. „Unsere Botschaft ist klar: strenge Befolgung der EU-Regeln und null Toleranz bei Betrug“, sagte EU-Industriekommissarin Elżbieta Bieńkowska. Allerdings war Brüssel offenbar seit Jahren vor Manipulationen gewarnt, ohne zu reagieren. Und Berlin könnte neue, schärfere Prüfregeln torpedieren.

Bereits 2013 wies das EU-eigene Joint Research Centre auf mögliche Manipulationen bei den Abgastests für Dieselfahrzeuge hin, wie die Financial Times berichtet. Dennoch geschah – nichts. Der Vorfall unterstreiche die „Unfähigkeit der EU, die europäische Autoindustrie zu regulieren“, schreibt das britische Wirtschaftsblatt.

Diese Unfähigkeit ist kein Zufall. Denn vor allem die Autolobby übt seit Jahren erheblichen Einfluss auf die EU-Kommission aus. Volkswagen unterhält nicht nur ein großes Büro mit direktem Blick auf die Brüsseler Behörde; der Konzern aus Wolfsburg hat auch privilegierten Zugang zu den europäischen Entscheidungsträgern.

So hat sich der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) mehrfach für VW und andere deutsche Autokonzerne eingesetzt. Auch Exkommissar Günter Verheugen machte sich für die Branche stark. Die Autobauer unterhalten nach Angaben von „Greenpeace“ zudem noch eine eigene Diesellobby, die 2014 in Brüssel 184 Mitarbeiter beschäftigt haben soll.

Die neue und noch weitgehend unbekannte Industriekommissarin Bieńkowska wird nun also zeigen müssen, ob sie den Lobbyisten widersteht. Dazu hat sie schon bald Gelegenheit: Die EU hat Emissionstests entwickelt, die Autos im Straßenverkehr überprüfen. Sie sollen ab Januar eingeführt werden, zunächst jedoch nur probeweise. Eine Sprecherin der EU-Kommission betonte, die Brüsseler Behörde gebe nur den regulatorischen Rahmen vor, für die Umsetzung seien die Mitgliedsländer zuständig. Deutschland muss also mitziehen – doch aus Berlin kommen schon jetzt wenig ermutigende Signale.

Wie die Welt am Sonntag unter Berufung auf ein internes Positionspapier berichtet, will Deutschland nämlich erreichen, dass der schon lange geplante neue Testmodus nicht wie geplant Ende 2017, sondern erst 2021 verbindlich wird. Zudem wolle die Bundesregierung viele der bisher noch bestehenden Schlupflöcher erhalten, berichtet die Zeitung. „Was die deutsche Regierung hier macht, ist unanständig“, zitiert die WamS Greg Archer, ein Mitglied der Arbeitsgruppe, die das neue Testverfahren erarbeiten soll.

Die US-Umweltbehörde hatte aufgedeckt, dass bei VW-Dieselfahrzeugen in den USA die Abgastests manipuliert worden waren. Eine entsprechende Software wurde weltweit in 11 Millio­nen Fahrzeugen des Konzerns verbaut.

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